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Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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es aus, als habe jemand mit einer Abrissbirne ein riesiges Loch in die Wand gehauen. Ich wundere mich, ihn ohne Gesellschaft anzutreffen. Üblicherweise hat er mindestens ein oder zwei Miezen um sich herumlungern, die ihm das Fell kraulen oder ihm das Mark aus einem Holunderzweig lutschen oder sonst irgendetwas Ekliges machen. Hat er die anderen weggeschickt, weil er wusste, dass ich kommen würde? Oder hat er den Blues und keinen Bock auf Ladys?
    Ich versuche es mit einer lässig erhobenen Klaue zur Begrüßung: »Hi, Kong«, sage ich und trete näher.
    Und dann stehe ich in hoffentlich gebührendem Abstand vor diesem gigantischen schwarzbehaarten Loch in der Wand und warte darauf, dass es zu mir spricht. Kongs Augen liegen so tief, dass ich nur zwei winzige, glänzende Punkte erkenne – wie zwei Sterne einer weit entfernten Galaxie.
    »Chrmkungchrupoaa.«
    Oder so ähnlich.
    Ach ja: Berggorillas sind nicht sehr gesprächig, also eigentlich gar nicht. Und wenn sie dann doch mal etwas sagen, dann vergessen sie dabei, das Maul aufzumachen. Immerhin: Das Loch gibt Laute von sich, die über den Fliesenboden rollen wie Granitkugeln. Ich lasse das Gehörte ein paarmal in meinem Kopf hin und her kullern, bis sich die Worte »Was willst du?« sedimentiert haben.
    »Kong«, sage ich, »wir müssen reden.«
    Was als Nächstes aus dem Loch kommt, klingt verdächtig nach »Mach dich nicht lächerlich.«
    Ich tue so, als hätte ich stattdessen ein »Schieß los, Schnüffler« gehört, und fahre fort: »Pass auf, Kong: Heute Morgen hat Justus ein Stahlgeländer eingedrückt, das so dick ist wie dein Oberarm. Anschließend wollte er Ursula begatten. Ein paar Stunden später kann mein kleiner Bruder plötzlich Karate, verarbeitet einen Schuhkarton zu Konfetti und fällt ins Koma. Was ich sagen will, ist: Irgendwie sind schräge Energien im Zoo unterwegs. Unsere Clanmutter meint, es handele sich um göttlichen Zorn und dass wir für unsere Sünden büßen müssen und so weiter. Ich persönlich bin da eher … weltlich eingestellt und vermute irdische Substanzen.« Ich warte auf Kongs Reaktion. Eine Geste. Ein Zucken. Doch es kommt nix. Der Typ hat’s echt drauf. »Irgendeine Idee, was dahinterstecken könnte?«, frage ich vorsichtig.
    Das Loch bewegt sich, bäumt sich auf und katapultiert sich über mich. Weiß nicht, ob ich mich schon einmal kleiner gefühlt habe. Auf seine Fäuste gestützt, bringt Kong seinen monolithenhaften Kopf so nah an mich heran, dass mir sein Hochlandatem das Fell föhnt. Der Vorteil ist: Jetzt verstehe ich ihn wenigstens.
    »Erstens«, er bläst mich an wie ein Nebelhorn, »habe ich nicht die geringste Ahnung, wovon du überhaupt redest. Zweitens: Ich mache in Waffen, wie du weißt. Illegale Substanzen interessieren mich nicht.«
    »Sind Waffen neuerdings legal?«, wende ich ein.
    »Was legal ist, entscheide ich.«
    Ich beschließe, seine Worte nicht weiter zu kommentieren.
    Er schnaubt. »Drittens: Wenn ich eine Ahnung hätte, wovon du redest, würde ich dir empfehlen, mal bei den Fenneks nachzuforschen. Die werfen sich ja bekanntlich alles ein, schnüffeln Kleber, klauen Schmerzmittel, das ganze Programm … Schließlich müssten sie Nick das Zeug nur durch den Zaun zustecken …«
    »Woher weißt du, dass es Nick war?« Die Frage ist raus, bevor ich sie zurückhalten kann. Ich kneife die Augen zusammen und wende den Kopf ab.
    »Hast du mich gerade verdächtigt?«
    So, wie Kong das fragt, zieht sich mir sofort die Kehle zusammen. »Nö.«
    »Hm. Also, Dings, ähh …«
    »Viertens?«, schlage ich vor. Bei den meisten Tieren ist nach drei Schluss, wie ich bereits sagte.
    »Habe ich dich um deine Meinung gebeten?«
    »Nö.«
    Er beugt sich so weit vor, dass ich mich praktisch in seinem Nasenloch umsehen kann. »Hör zu, Erdnuckel: Wenn ihr einen aus eurem Clan quer durch den Zoo schleppt – glaubst du, so etwas bleibt mir verborgen?«
    »Nein … natürlich … nicht.«
    »Natürlich«, bestätigt er, gibt mich aus seinem Nasenloch frei und lässt mich mit einem liebevollen Fingerschnipsen über die Fliesen schlittern und gegen die Tür schlagen. »Das war’s.«
    Als hätte ich das noch nicht gemerkt. Unglaublich, wie stark der ist. Und frisst nicht mal Fleisch.
    Ich renke mir den Hals ein: »Eine Frage hätte ich noch«, setze ich an.
    »Nein. Hättest du nicht.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Alles klar.«

    Als ich das Gorillagehege verlasse, ist es Nacht, und die S-Bahnen ziehen als

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