Voll Speed: Roman (German Edition)
diesen idiotischen Ausweis gekritzelt hat. Doch es würde nicht mehr bringen als die neunundneunzigmal davor. Deshalb verzichte ich darauf.
Mit seinem »offiziellen« Dienstausweis scheint Rufus’ Stimme auch einen »offiziellen« Ton angenommen zu haben. »Wie gehen wir weiter vor?«, überlegt er.
Kann er sich sparen. Sowohl den Ton als auch die Frage. Was als Nächstes zu tun ist, wissen wir beide – mit oder ohne Ausweis.
Kapitel 7
Kong. Der Pate des Zoos. Bei ihm laufen sämtliche Fäden zusammen. Niemand würde es wagen, an ihm vorbei irgendwas zu drehen – außer den Fenneks vielleicht, den Kronenkranichen und … uns. Erdmännchen sind eine eigenwillige Spezies. Das zeichnet uns aus. Mich jedenfalls. Nicht ausgeschlossen, dass wir, also ich, deshalb in nicht allzu ferner Zukunft Ärger mit Kong bekommen werden.
Seit dem Berggorilla zu Ohren gekommen ist, dass ich einen menschlichen Partner habe und als Privatermittler unterwegs bin, sind bereits vermehrt, ich sag mal, Missstimmungen zutage getreten. Ich glaube, Kong hat Schiss, dass ihm die Felle davonschwimmen und ich ihm den Rang als Obermacker ablaufen könnte. Was allerdings auch täuschen kann. Niemand weiß, was Kong wirklich denkt. Jedenfalls hab ich jetzt, da ich mich auf dem Weg zum Gorillagehege befinde, das deutliche Gefühl, dass er besser nichts von unserem Motorboot erfahren sollte.
»’n Abend, Bobby«, sage ich und gehe mit größter Selbstverständlichkeit an dem ersten von Kongs Türstehern vorbei.
Der Westliche Flachlandgorilla ist damit beschäftigt, etwas zwischen seinen wurstigen Fingern zu zerdrücken, das er aus dem Fell in seiner Leiste gekratzt und das eben noch gelebt hat. »’n Abend, äh …«
»Ray.«
»Ray.«
Bin durch. Puh. Klappt nicht immer. Aber noch wartet Türsteher Nummer zwei auf mich: Robby, der Östliche Flachlandgorilla. Einer, der anderen gerne Schmerzen zufügt. Nur so. Aus Langeweile.
Ich kraxele die Felsen empor und steuere auf den Hintereingang von Kongs Privatgemach zu. Ist immer ratsam, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. Aber mach das mal bei jemandem, der dir mit einem Fingerschnipsen den Kopf von der Schulter trennen kann und außerdem auf Gewalt steht. Da sitzt er, vor dem Eingang, eine schwarzbehaarte Planierraupe, die alles plattmacht, was … Nichts anmerken lassen, Ray. Du hast keine Angst. Keine Angst.
»Robby?«, sage ich, und beim Klang meiner zittrigen Stimme verlässt mich augenblicklich der Mut.
Ein leises, regelmäßiges Quietschen ist zu hören. Wie von einem verbogenen Rad oder so. Dann bemerke ich, dass Robby einen Handtrainer in seiner riesenhaften Pranke hält, dessen Feder jedes Mal ermattet aufjault, wenn er die Griffe gegeneinanderpresst. Wenn er das mit mir machte, würde mein Kopf platzen wie eine Walnuss in einem …
»Kennen wir uns?«, erwidert er, ohne dem Handtrainer eine Pause zu gönnen. Wahrscheinlich hat er das Ding bereits den ganzen Tag gequält und inzwischen vergessen, dass er es in der Pranke hält.
»Klar kennen wir uns«, versichere ich. Ist immer gut, wenn der Türsteher sich an einen erinnert. »Ich bin’s, Ray, der Erdmann.«
»Hm.«
»Du, Robby?«
»Hm?«
»Ich wollte dich um was bitten.«
»Hm.«
»Könntest du vielleicht Kong Bescheid sagen, dass ich hier bin und ihn gerne sprechen würde – ohne mir vorher den Arm zu brechen oder so was Ähnliches? Ehrlich gesagt, wäre es mir am liebsten, du würdest gar nichts mit mir machen.«
Quiiiek … Quiiiek … Quiiiek …
»Hm.«
Quiiiek … Quiiiek … Quiiiek …
»Heißt das ja?«, frage ich.
»Das heißt: Heute ist dein Glückstag.«
»Also gehst du ihn fragen?«
»Nein.«
»Ah …«
»Kannst so rein.«
»Echt?«
»Echt. Kong erwartet dich. Hat gesagt, du würdest wahrscheinlich vorbeikommen.«
»Danke, Mann.«
»Kein Problem.« Quiiiek. »Kommen auch wieder schlechtere Zeiten.« Quiiiek. »Für dich.«
Ich zwänge mich zwischen den Lamellen des PVC-Vorhangs hindurch, laufe durch eine Plastikröhre, die das Neonlicht rot färbt, dann stehe ich in Kongs Privatgemach, und hinter mir fällt die Tür ins Schloss. Was hat Robby eben gesagt? Kong erwartet mich bereits? Von dem kann ich echt noch was lernen. Keiner weiß, wie er es macht, aber irgendwie kriegt er alles mit.
Durch das Glasdach sickert diffuses Licht in den Käfig. Die Fliesen an den Wänden schimmern kränklich. Kong sitzt auf einer Europalette und lehnt an einem Autoreifen. Im Halbdunkel sieht
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