Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
Vom Netzwerk:
auf der anderen Straßenseite verschwinden, geht Phil unauffällig zur Rückseite des Zeltes, holt mich aus seiner Tasche und setzt mich auf der Straße ab.
    »Mach nicht zu lange.«
    Einen Augenblick später bin ich auch schon unter der Plane durchgekrochen.
    Ich mache tatsächlich nicht lange. Ist nicht nötig. Die Indizien könnten eindeutiger kaum sein: Blutspuren am Metallring der Einfassung, männlich. Haare, wo keine hingehören. An zwei Sprossen Baumwollfasern, die farblich zu Boris’ Jacke passen.
    »Sorry, Partner«, sage ich, als wir wieder im Auto sitzen und ich das dampfende Loch auf der Rückseite des Bauwagens anstarre.
    Statt zu antworten, ritzt Phil mit seinem Daumennagel Rillen ins Lenkrad.
    »Weißt du, was mich am meisten stört?«, fragt er irgendwann, um sich gleich darauf selbst zu antworten. »Dass Ernie sich seine eigene Version nicht abnimmt. Der ruft mich nicht an und fragt, ob ich in letzter Zeit etwas von Boris gehört habe, wenn er nicht wenigstens einen Verdacht hat.« Phil scheint zu überlegen. »Oder was meinst du?«
    Hoppla, schießt es mir durch den Kopf. Bin ich da gerade nach meiner Meinung gefragt worden? Hat unsere Zusammenarbeit soeben und ganz nebenbei eine neue Stufe erreicht?
    Ich versuche, mir meinen Stolz nicht anmerken zu lassen, als ich antworte: »So, wie Ernie ein Steak verdrückt, traue ich ihm zu, dass er Boris’ Leiche für schlechte Tage in der Kühltruhe aufbewahrt.«
    Phil sieht mich an, als hätte ich gerade etwas Unpassendes gesagt. »Schon mal das Wort pietätlos gehört?«
    »Nein«, antworte ich wahrheitsgemäß.
    Eine Weile herrscht Stille. Der Mann ist in Gedanken. Wenn er weiter so Rillen ins Lenkrad ritzt, bricht ihm gleich der Daumennagel ab. Auf dem Bürgersteig bleibt ein asiatisches Touristenpärchen stehen. Der Mann ist so klein, dass er mit mir auf Augenhöhe ist. Wie um mich nicht aufzuschrecken, bringt er in Zeitlupe seine Kamera in Anschlag. Ich gebe ihm erst mein coolstes Rapper-Face, dann mach ich ihm den fauchenden Tasmanier. Schließlich tunkt mich Phils Hand in meinen Kindersitz.
    »Lass den Quatsch«, mahnt er.
    »’tschuldigung.«
    »Du sagst also, Boris ist da vorne in den Schacht gefallen …«
    »Hab ich gesagt, ja.«
    »Gut. Nehmen wir an, dass dabei jemand seine Finger im Spiel hatte – auch wenn bis jetzt nichts darauf hindeutet. Wo würden wir anfangen, nach diesem Jemand zu suchen?«
    Ich überlege. Angestrengt.
    »Kannst du mal aufhören, dir die ganze Zeit deine Eier zu kraulen?«, wirft Phil ein.
    Kann ich. Dann überlege ich weiter. Also: Wo suchen, wenn man nicht weiß, nach wem? »Falls wirklich jemand an Boris’ Tod beteiligt gewesen sein sollte«, formuliere ich vorsichtig meine Gedanken, »dann fällt es mir schwer anzunehmen, dass der nichts mit dem Mord an diesem Boxpromoter zu tun haben sollte.«
    Diesen Gedanken finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich ausgebufft, weshalb ich etwas enttäuscht bin, als von Phil nur ein »Hm« kommt.
    Neben der besseren Rundum-Sicht ist übrigens ein weiterer Vorteil meines Kindersitzes, dass ich jetzt problemlos an den elektrischen Fensterheber heranreiche. Sssssss. Auf. Sssssss. Zu. Sssssss. Auf. Sssssss. Zu. Könnte ich den ganzen Tag machen. Sssssss …
    Phil lehnt sich über mich und hält meine Klaue fest. »Und weiter?«
    Ich kneife die Augen zusammen und versuche mich zu konzentrieren, denke an Boris und diesen Boxpromoter und wieder an Boris und … Langsam, sehr langsam nimmt ein Bild Gestalt an. Ein ziemlich gruseliges Bild: der nackte Körper eines Menschenweibchens, auf Knie und Hände gestützt, den Hintern in die Luft gereckt, den Kopf nach hinten gebogen. Halt. Das Weibchen ist nicht vollständig nackt, sondern hat zwei himmelblaue Angora-Pulswärmer an den Handgelenken. Eine durchtriebene Schlampe.
    »Vielleicht sollten wir dieser …«
    Doch da hat Phil bereits den Zündschlüssel gedreht und schert aus der Parklücke aus. Mir kommt ein Sprichwort in den Sinn: Der eine denkt, der andere lenkt. Zugegeben nicht sehr originell. Ich sehe erst den Bauwagen, dann das provisorische Zelt an mir vorbeifliegen.
    »… Piroschka einen Besuch abstatten«, bringt Phil schließlich meinen Gedanken zu Ende.
    »Hey – genau das wollte ich gerade sagen!«
    Er tätschelt mir den Kopf und lächelt mich an, als hätte ich gerade zum fünften Mal vergeblich versucht, mit meinen Krallen eine Thunfischdose zu öffnen.
    »Sieht so aus, als wären wir langsam ein eingespieltes

Weitere Kostenlose Bücher