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Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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heraus.
    Und weil ich gerade das Bedürfnis habe, auf Schlaumeier zu machen, antworte ich: »Dachte ich mir.«
    »Du hattest recht: Das Blut im Gullyschacht stammt von Boris.«
    Logisch hatte ich recht.
    »Die Polizei wird den Fall zu den Akten legen. Wir werden uns wohl damit abfinden müssen, dass es ein Unfall war.«
    »Aber du glaubst nicht dran«, vermute ich.
    Ein kalter Wind streicht durch den Zoo und treibt lustlos ein paar matschige Blätter vor sich her. Phil stellt den Kragen seines Leinensakkos auf. »Stimmt.«
    »Ich auch nicht«, sage ich.
    »Ach – seit wann denn das?«
    »Seit ich darüber nachgedacht habe …« Ich mach das Ding mit der Pause, dramatische Steigerung und so weiter. »Ich weiß, das klingt jetzt nicht gerade … logisch. Aber dass Boris wochenlang jeden Zeitungsartikel zum Mord an Nagy sammelt, um dann zufällig in einen Gully zu stürzen … Irgendwie passt das nicht zusammen.«
    Phil betrachtet mich. Eindringlich. Wahrscheinlich denkt er gerade genau das, was ich denke: Ganz schön ausgebufft, dieser Erdmann.
    »Manchmal«, setzt er an, und sein Blick schweift wieder zu dem Kamikaze-Flamingo hinüber, »wenn man nichts anderes hat – muss man auf seine Instinkte vertrauen.«
    Das unterschreibe ich als Erdmann natürlich sofort. Instinkte sind das halbe Leben. »Und was hast du jetzt vor?«, frage ich.
    »Wer sagt, dass ich was vorhabe?«
    »Ich.«
    »Und wie kommst du darauf?«
    »Sonst wärst du nicht hier.«
    Ich meine, die Andeutung eines schiefen Lächelns zu erkennen. Von einem Moment auf den nächsten mischen sich meine Selbstmordgedanken unter die welken Herbstblätter und lassen sich träge den Weg hinuntertreiben.
    Phil sieht sich um, nimmt seine Ledertasche von der Schulter, schlägt den Deckel zurück und lässt sie am ausgestreckten Arm auf den Rasen baumeln. »Lust auf einen Drink?«
    Ich klettere in die Tasche und denke: Mit dir immer, Partner.

Kapitel 12
    Nicht ausgeschlossen, dass der »Dünne Wirt« tatsächlich mal dünn war. Muss aber zwei oder drei Leben zurückliegen. Gut, zu Manatee Wandlitz, unserem Seekuh-Kommissar, fehlt ihm noch eine Handbreit – am Hals. Dennoch: Die Schürze spannt ordentlich über dem Bauch, und unter den Achseln wird der Hemdstoff knapp.
    »Tach«, brummt er freundlich, als Phil sich an die Bar setzt und seine Tasche auf dem benachbarten Barhocker abstellt.
    Das gibt’s ja gar nicht, denke ich. Ich kenne nämlich Kneipenwirte bislang nur aus Filmen, und da sind sie aus irgendeinem Grund immer damit beschäftigt, ihre Theken zu wischen. Und jetzt, wo ich zum ersten Mal einen vor mir habe, stelle ich fest: Es ist echt so! Er steht da, guckt aus warmen, braunen Augen, fährt sich durch sein würdevoll ergrautes, aber noch volles Haar und wischt seine Theke. Er hat ziemliche Pranken, wie mir auffällt. Aus dem Lappen, mit dem er die Theke wischt, könnte ich mir locker ein Zelt bauen, in seiner Hand jedoch sieht er aus wie ein zerknüllter Kassenbon. Er heißt übrigens Kalle, wie Phil recherchiert hat, Kalle Bönsch.
    »Was darf’s sein?«, fragt er.
    »Ein Mineralwasser, bitte«, sagt Phil.
    Rückblickend werden wir feststellen, dass dies der Moment war, der Bönschs Argwohn weckte. Mineralwasser ist nicht das, was seine Gäste für gewöhnlich bestellen. Jedenfalls nicht die, die sich bereits mittags am Tresen einfinden.
    Als er sich bückt, um in einem Ausziehfach nach Mineralwasser zu stöbern, bemerke ich, dass er quer überm Ohr eine Narbe hat, auf der keine Haare mehr wachsen, und dass ihm im Nacken ein altes Tattoo aus dem Kragen kriecht.
    Bönsch legt einen Bierdeckel auf die Theke und stellt Phils Wasser darauf ab. Mein Partner trinkt. Über uns flappt gemächlich ein Ventilator. Es riecht nach Bratkartoffeln, Rührei, Holzpolitur, frisch gezapftem Bier und Pril. Aus dem benachbarten Raum sind das Besteckklappern und die Stimmen der Mittagsgäste zu hören. Soweit ich das erkennen kann, ist alles im »Dünnen Wirt« aus Holz: die Stühle, die Theke, die Wandvertäfelung, die Kassettendecke … Kommt einem vor, als würde man in einem ausgehöhlten Baumstamm am Tresen sitzen.
    Phil gibt vor, sich umzusehen: »Nettes Lokal«, stellt er fest.
    Die Tour zieht nicht. Nicht bei Kalle Bönsch. Dessen Pranke landet auf der Theke, unter sich den Lappen. Und schon wird wieder gewischt. »Warum sagen Sie mir nicht einfach, wer Sie sind und was Sie wollen?«, fragt er geradeheraus.
    Ich kann es nicht sehen, aber am Klang von

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