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Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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Nemo den Eingang zu seiner Kammer mit einem Motorrad-Nummernschild verbarrikadiert hat. Das ist verboten. Außer Mas und Pas sowie denen der Clanmitglieder aus dem ersten Wurf müssen alle Kammern frei zugänglich sein. Die Anordnung stammt noch aus Pas Zeiten als Clanchef.
    »B, A, W, sieben, eins, sechs, sechs«, liest Rufus die Buchstaben und Ziffern des Nummernschilds, als verberge sich ein geheimer Code dahinter. Und da ihm der respektvolle Umgang unter den Clanmitgliedern ein dringliches Anliegen ist, klopft er artig an und ruft: »Nemo, bist du da?«
    »Keine Sprechstunde!«, tönt es blechern aus der Kammer.
    Und da mir der respektvolle Umgang, zumindest was den vierten Wurf betrifft, inzwischen gehörig am Arsch vorbeigeht, sprenge ich das Schild mit zwei gezielten Fußtritten aus den Angeln und stapfe blindlings in Nemos Kammer.
    Ein Geruch, den ich zunächst nicht zuordnen kann, sticht mir in die Nase. Das ist das Erste, was mir auffällt. Dann folgt Rufus mit seiner Lampe und offenbart den Grund für das Nummernschild: Inmitten des Chaos aus Red-Bull-Dosen, Snack-Verpackungen, Star-Wars-Sammelkarten, Siku-Autos und wer weiß was noch allem sitzt Natalie in einer sonderbaren Haltung auf der Spitze eines rosa Adidas-Schuhs und versucht, sich unsichtbar zu machen.
    Die sonderbare Körperhaltung rührt daher, dass sie etwas hinter ihrem Rücken zu verbergen versucht, denke ich. Was aber nicht stimmt. Denn als ich an ihr vorbeigucke, sehe ich, dass Nemo ihr mit einem silbernen Glitzerschnürsenkel die Vorderbeine auf den Rücken gebunden hat, und das ist dann der Moment, in dem mir klar wird, wonach es hier riecht, nämlich nach fiesem, schmutzigem, obergeilem Bondage-Sex, wie ihn sich Rufus in seinen kühnsten Träumen nicht ausdenken könnte – und Rufus weiß es auch. Das war es dann mit der Weisheit und dem Mitgefühl … Sein Wunsch nach einem respektvollen Umgang untereinander äußert sich darin, dass er sich den erstbesten Gegenstand krallt, der ihm in die Klaue kommt – eine Kleinflasche Jägermeister –, und sie Nemo schwungvoll über den Schädel zieht.
    Während Nemo noch wie ein Panda stöhnend durch seine Kammer taumelt und in den Resten einer gestreiften Sitzauflage landet, ruft Natalie bereits Rufus’ Namen, und – kein Scherz – so wie jetzt habe ich ihre Augen noch nie leuchten sehen.
    »Du liebst mich ja wirklich!« Dabei quiekt sie, als würde dem Höhepunkt, den sie wahrscheinlich vor drei Minuten gehabt hat, gerade ein weiterer folgen.
    Derweil gibt die Festplatte meines Bruders ihren Geist auf. Ungläubig starrt er auf die Flasche in seiner Klaue.
    »Gnnnngnnunnng«, tönt es aus der schimmeligen Sitzauflage.
    Erst, als Natalie wieder das Wort ergreift, wird Rufus aus seiner Starre erlöst: »Mach mich los, Geliebter, schnell!«
    Wir sollten dringend den Fernsehkonsum einschränken, denke ich. Ob Rufus auch etwas denkt, ist unklar. Er lässt die Flasche zu Boden fallen, eilt zu seiner Angebeteten, setzt ein Knie auf den Boden, als wolle er ihr einen Heiratsantrag machen, und zurrt mit Klauen und Zähnen den Knoten auf.
    Sobald ihre Vorderbeine frei sind, schlingt Natalie sie um Rufus’ Hals und drückt ihren Kopf an seine Schulter: »Ooohh, mein Held!« Als hätte er sie aus Nemos Gefangenschaft befreit.
    Endlich, denke ich. Endlich wird mein Bruder Sex haben, noch dazu mit Natalie! Gut, sie haben eben erst ihre Verlobung gelöst, aber wen stört das schon – außer Ma vielleicht? Und dann geschieht es: Mit Dackelaugen und einem Gesicht wie Wackelpudding löst Rufus die Klauen seiner Geliebten aus seinem Nacken und schiebt sie auf Beinlänge von sich weg.
    »So einfach, wie du denkst, geht das nicht, Natalie«, meine ich ihn sagen zu hören.
    Dann bemerke ich Natalies ungläubigen Blick und weiß: Er hat es tatsächlich gesagt. Wie bescheuert kann man eigentlich sein?
    Nemo presst sich eine Klaue auf das getroffene Ohr. »Du hast sie doch nicht alle!«, bellt er aus dem Sitzkissen, und es ist unklar, ob er die Sache mit der Flasche meint oder dass Rufus sich gerade seiner ultrascharfen Schwester verweigert.
    Rufus dreht ihm den Kopf zu. Bei der Gelegenheit erblicke ich das Gesicht eines Mannes, der den süßen Geschmack der Macht gekostet hat.
    »Noch so eine Bemerkung«, raunt mein kleiner, verschüchterter, sonst so ängstlicher Bruder, »und ich ziehe dir das Fell über die Ohren, bis dir der Arsch im Nacken sitzt.«
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