Voll Speed: Roman (German Edition)
wir schon gestern waren: Der Fall Boris Kaufmann ist kein Fall. Und damit basta.«
Ich scanne noch einmal den Flur. Dabei bleibt mein Blick erneut an den liebevoll gerahmten Bildern über der Kommode hängen. »Das ist es!«
Phil sieht mich genervt an und kommt näher.
»Der Kerl auf dem zweiten Bild, der gerade die Arme hochreißt.«
Phil schaut hin. »Seh ich. Wird wohl der Trainer von Boris sein.«
»Und?« Ich sehe meinen Partner an, als müsste der so langsam mal selbst darauf kommen.
Phil wirkt ungehalten. »Spann mich nicht auf die Folter, Ray. Ich kenn den Kerl nicht. Außerdem sieht man ihn ja nur von hinten. Keine Ahnung, wer das sein könnte.«
»Wir kennen ihn beide«, erwidere ich cool. »Er hat nur ein bisschen zugenommen und zeigt seine Tattoos nicht mehr so gern in der Öffentlichkeit.«
Phil kneift die Augen zusammen und überlegt. »Kalle Bönsch.«
Ich nicke. »Das alte Tattoo, das ihm gestern aus dem Hemdkragen gerutscht ist … Dabei hat er behauptet, Boris nicht mal zu kennen.«
Phil pfeift anerkennend durch die Zähne. »Gute Arbeit, Partner. Dann lass uns Kalle doch gleich mal fragen, warum er uns angelogen hat.«
Phil stellt seine Umhängetasche auf die Kommode, ich springe hinein und verkünde: »Richtige Entscheidung.«
Phil, der die Tasche gerade schließen will, hält inne. »Du wirst aber jetzt nicht plötzlich arrogant, weil du ein ganz passabler Schnüffler bist, oder?«
»Ganz passabel?«, erwidere ich. »Ich bin absolute Weltklasse! Top-Liga! Ein Elitedetektiv!«
»Duck dich mal, Elitedetektiv«, sagt Phil und schließt die Tasche.
Kapitel 14
Als wir den ›Dünnen Wirt‹ betreten, ist Kalle Bönsch bei seiner Lieblingsbeschäftigung. Er lässt einen einsamen Spüllappen in Zeitlupe über die Theke kreisen. Diesmal zeigt der Kneipier seine tätowierten Arme, er hat die Hemdsärmel bis zum Bizeps hochgekrempelt. Falls es noch Zweifel daran gab, dass er der Mann auf dem Foto ist, dann sind diese gerade verflogen. Die beiden hässlichen Klapperschlangen, die Kalle sich auf die Arme hat stechen lassen, fand ich schon in Boris Wohnung ziemlich unappetitlich. So aus nächster Nähe betrachtet, wirken sie richtig unheimlich. Besonders für jemanden, der eine angeborene Panik vor Schlangen hat.
»Wir haben noch geschlossen«, sagt Bönsch, ohne hochzusehen.
Phil stellt seine Tasche auf die Theke und setzt sich. »Das trifft sich gut, ich wollte sowieso unter vier Augen mit Ihnen sprechen.«
Kalle blickt vom Tresen hoch und braucht einem Moment, um sein Gegenüber einzuordnen. Dann verdüstert sich das Gesicht des Kneipiers.
»Was wollen Sie denn schon wieder?« Er legt seine beiden Pranken auf die Theke, stützt sich ab und lässt die Armmuskeln spielen, was die Schlangenköpfe zum Zucken bringt, als wären sie lebendig. Gruselig.
»Über Boris Kaufmann reden«, erwidert Phil ungerührt.
»Ich dachte, das hätten wir geklärt. Ich habe Ihnen doch gesagt: Ich rede grundsätzlich nicht mit Pressefritzen. Ende der Durchsage.« Bönsch deutet mit dem Kinn zur Tür. »Und da drüben hat der Maurer …«
»… das Loch gelassen«, vollendet Phil den Satz. »Ich weiß. Es ist nur so: Ich komme nicht von der Presse. Ich bin Privatdetektiv. Boris war mal mein Partner. Jetzt ist er tot, und es sprechen einige Anzeichen dafür, dass es kein Unfall war, sondern Mord.«
Kalle steht unbeweglich hinterm Tresen, aber ein leichtes Flackern in seinen Augen verrät, dass Phils Vortrag den Kneipier nicht kaltgelassen hat.
»Und was hab ich damit zu tun?«, fragt Bönsch lauernd.
»Das müssen Sie mir schon sagen«, erwidert Phil. »Ich weiß nur, dass Sie mich belogen haben. Angeblich kannten Sie Boris überhaupt nicht, dabei haben sie seine größten sportlichen Erfolge begleitet. Was waren Sie damals? Sein Trainer?«
Bönsch zögert einen Moment, dann richtet er sich auf, zieht langsam einen Hocker zu sich heran und setzt sich. »Ich war sein Sparringspartner. Wir haben im selben Gym trainiert. Hab ’ne Menge von ihm gelernt.«
»Klingt, als wären Sie beide befreundet gewesen.«
»Wie man’s nimmt. Boxer sind ja am Ende immer Konkurrenten. Aber wir hatten schon ein freundschaftliches Verhältnis, würde ich sagen. Den Umständen entsprechend.«
»Den Umständen entsprechend«, wiederholt Phil. »Verstehe. Und wo waren Sie dann bei seiner Beerdigung?«
Bönsch beißt sich auf die Unterlippe, dann steht er auf, nimmt ein Glas aus dem Regal und drückt es mehrmals gegen
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