Voll Speed: Roman (German Edition)
eine kopfüber an der Wand hängende Magnumflasche mit einer dunklen, öligen Flüssigkeit. »Dass Sie Mineralwasser trinken, stimmt auch nicht, oder?«
»Ich nehme gern einen Whiskey, falls das ein Angebot war«, erwidert Phil.
Kalle füllt ein weiteres Glas an einer anderen Flasche und stellt es auf den Tresen neben seins. Whiskeygeruch, vermischt mit Bitternoten und allen möglichen Kräutern zieht in mein Versteck. Was die Menschen so alles in sich reinkippen, ist wirklich sagenhaft.
»Die Wahrheit ist, ich wäre gern zu seiner Beerdigung gekommen, aber ich fand es dann doch besser, auf … Tauchstation zu bleiben.«
Phil merkt auf.
»Dieser Laden hier …« Mit einer knappen Handbewegung umreißt Bönsch sein Reich: »… ist alles, was ich im Leben erreicht habe. Wenn ich den verliere, bin ich echt im Arsch.«
Phil nippt an seinem Drink.
Kalle ebenfalls. »Ich bin fast sechs Jahre im Knast gewesen. Sie haben mich wegen mehrfacher Körperverletzung drangekriegt. Damals hatte ich ein kleines Inkassobüro.«
Phil schiebt sein leeres Glas über die Theke. »Und jetzt denkt die Polizei, dass Sie Boris ans Leder gegangen sind. Aus welchen Gründen auch immer.«
Kalle zuckt mit den Schultern und steht auf, um die Gläser noch mal zu füllen. »Jedenfalls bin ich in der Schusslinie. Und deshalb versuche ich, meinen Kopf unten zu halten, so gut es geht.«
Kalle stellt die frischen Drinks auf die Theke. Schweigend prosten sich die Männer zu und trinken. Wenn ich Phil richtig einschätze, dann heißt das, er glaubt Kalle Bönsch.
»Boris hat nicht zufällig was bei Ihnen hinterlegt, oder? Einen Brief, ein Päckchen, oder so«, fragt Phil nach einer Weile.
Kalle öffnet eine Schublade, kramt darin herum und wirft dann einen Bierdeckel auf den Tresen. »Das ist das Einzige, was Boris mir hinterlassen hat. Eine offene Rechnung.«
Phil betrachtet den Deckel. »Ich übernehm’ das.«
Kalle wundert sich, nimmt den Deckel und greift nach einer Lesebrille. Während er im Geiste Boris’ Drinks addiert, beugt Phil sich interessiert vor. »Darf ich mal sehen?«
Kalle gibt ihm den Deckel. »Geben Sie mir einfach fünfzig Mäuse und gut ist. Dann hab ich wenigstens meinen Wareneinsatz raus. Und alles andere hier geht auf mich.«
Gedankenverloren zieht Phil einen Schein aus der Tasche und schiebt ihn rüber zu Bönsch. Dann zeigt er ihm die Rückseite des Bierdeckels. »Hier steht: AKI + MAGENTA = ? Irgendeine Ahnung, was das heißen könnte?«
Kalle Bönsch nimmt den Deckel und betrachtet Boris’ Kritzelei. »Aki könnte Axel Kowalski sein. Junger Boxer. Hatte offenbar Talent.«
»Hatte?«
»Ja. Er ist tot. Einfach so umgefallen. Vermutlich Hirnschlag.« Bönsch klopft den Deckel auf den Tresen. »War das nach seinem Kampf in Budapest? Oder Prag? Jedenfalls hat Aki hier ganz in der Nähe trainiert.« Nachdenklich nippt er an seinem Drink. »Und Magenta heißt vielleicht Akis Mieze. Klingt jedenfalls für mich wie ein Frauenname aus dem Osten.«
»Wo hat Aki trainiert?«, fragt Phil, ohne weiter auf Kalles letzten Hinweis einzugehen. Dabei finde ich die Idee, dass es sich bei Magenta um eine Frau handeln könnte, ziemlich interessant. Vielleicht sollte man mal Piroschka fragen, ob die nicht zufällig eine Magenta kennt.
»Im K.O.«, antwortet Kalle.
»K.O.?«
»Offiziell heißt der Laden: Knock Out Club .« Er nimmt die Gläser. »Wie sieht’s aus?«
Phil nickt, Kalle zapft neue Drinks.
»Den Laden gibt es schon ewig«, fährt Kalle fort. »Vor zwanzig Jahren trieben sich da noch ziemlich üble Typen rum.« Er grinst. »Ich, zum Beispiel.«
Kalle stellt die Drinks auf die Theke. »Heute ist der Laden total schnieke. Einer von diesen Luxusschuppen mit Spiegeln an den Wänden und ’ner Wellnessabteilung. Früher waren wir froh, wenn die Duschen gingen.« Er hebt sein Glas. »Na ja. Is lange her.«
Ein kurzes Schweigen, dann hebt Phil ebenfalls sein Glas.
»Er war kein schlechter Kerl«, sagt Kalle und prostet meinem Partner zu.
»Nein, das war er nicht«, erwidert Phil und prostet ebenfalls.
Die beiden Männer leeren ihre Gläser.
Der Knock Out Club ist so schnieke, dass Normalsterbliche dort überhaupt keinen Zutritt haben. Die Drehtür in der gänzlich verspiegelten Fassade wird von einem Typen mit Knopf im Ohr bewacht. Er trägt einen dunklen Anzug, der im Gegensatz zu Phils muffiger und verknitterter Kleidung absolut perfekt sitzt. Da der Typ die Größe eines Stahlschranks hat, ist der Anzug
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