Voll Speed: Roman (German Edition)
und Tod aus mehreren Wunden blutend, in meine Laptoptasche gekrochen bin. Kann ja wohl nicht wahr sein, dass man jetzt schon wieder was von mir will.
»Ray! Bitte! Steh’ auf! Rocky baut gerade Scheiße!«
Ich öffne die Augen und blicke in das Gesicht von Rufus. Also doch kein Traum. »Bitte. Tu mir das nicht an, Kumpel! Ich hab kaum geschlafen.«
»Ja. Du siehst echt beschissen aus«, erwidert Rufus ohne Mitleid. »Aber geschlafen hast du über zehn Stunden.«
»Ist das viel?«
Rufus nickt ernst. »Deine Bildungsferne sollte dir zu denken geben.«
»War Phil schon da?«, frage ich.
Rufus nickt. »Er kommt später wieder. Genauer gesagt, wenn es uns beiden gelungen sein wird, den Krieg der Welten zu verhindern.«
Müde krabbele ich aus meiner Laptoptasche. Mein Gesicht schmerzt, und in meinem Kopf scheint eine Herde Büffel herumzutrampeln. »Okay, Rufus. Mach es kurz.«
»Rocky hat den Elektroschocker genommen und sich von Noah mit dem Speedboot in die Kanalisation fahren lassen.«
»Wieso kann Noah das Speedboot bedienen?«, frage ich erstaunt.
Rufus winkt ab. »Hat ihm Natalie wahrscheinlich gezeigt.«
»Und wieso kann Natalie das Speedboot bedienen?«
»Hab womöglich … ich … ihr gezeigt«, erwidert Rufus verlegen.
»Und die beiden haben es dann auch allen anderen aus dem vierten Wurf gezeigt«, vermute ich.
Rufus zuckt mit den Schultern. »Möglich.«
»Okay«, sage ich gedehnt. »Und jetzt?«
»Was meinst du mit und jetzt? Rocky ist dabei, einen Krieg anzuzetteln. Davon müssen wir ihn abhalten«, erwidert Rufus eindringlich.
»Ach ja? Müssen wir das?«, frage ich und überlege, ob ich nicht einfach wieder in meine Laptoptasche kriechen soll.
»Ja. Müssen wir«, sagt Rufus patzig. »Es ist in der momentanen Situation diplomatisch mehr als unklug, einen Krieg mit den Ratten anzufangen. Und ganz nebenbei könnte Rocky bei der Aktion draufgehen.«
»Rufus, ist dir eigentlich klar, dass wir unseren Bruder andauernd vor sich selbst schützen müssen? Rocky hat das politische Gespür einer Wildschweinherde. Wenn wir ihm nicht ständig aus der Klemme helfen würden, hätte er längst ins Gras gebissen. Eskalationsbedingt.«
»Meinst du vielleicht: evolutionsbedingt?«, hakt Rufus irritiert nach.
»Ja. Oder so.«
»Und was heißt das jetzt im Umkehrschluss?«, fragt Rufus. »Willst du ihn draufgehen lassen, damit er erkennt, was für ein Trottel er ist?«
»Keine schlechte Idee. Oder kannst du Superhirn mir einen vernünftigen Grund dafür nennen, warum wir ihm auch diesmal wieder den Arsch retten sollen?«
»Ich kann dir sogar den entscheidenden Grund nennen«, erwidert Rufus mit einem Anflug von Überheblichkeit.
»Da bin ich aber gespannt.«
Rufus grinst sein Pommesgabelgrinsen. »Wenn Rocky heute in der Kanalisation auf der Strecke bleibt, dann wird einer von uns beiden der neue Clanchef. Und der bekommt dann nicht nur die schwangere Roxane als Zugabe, sondern darf sich auch noch um die Aufzucht von Rockys Nachwuchs kümmern. Und so wie ich unsere Schwester kenne, wird sie mindestens vier Erdmännchen auf die Welt bringen, die alle nicht bis drei zählen können.«
»Worauf warten wir noch?«, frage ich und stehe bereits im Gang. »Unser geliebter Clanchef ist in Gefahr!«
»Ich wusste, dass du Vernunft annehmen würdest.«
Rockys Taktik ist, wie könnte es anders sein, simpel. Er will mit dem Elektroschocker ins Hoheitsgebiet der Ratten marschieren und dann möglichst viele von ihnen ins Jenseits befördern. Genau wie letzten Sommer, als die Ratten Natalie entführt hatten. Damals war die Aktion aber immerhin dadurch motiviert, dass wir unsere Schwester befreien wollten. Das heutige Gemetzel ist lediglich Rockys private Rache für die Prügel von gestern. Ist halt sein Lebensmotto: Wenn ihm einer blöd kommt, gibt’s was auf die Glocke.
Leider hat Rocky nicht bedacht, dass die Ratten aus seinem damaligen Angriff gelernt haben könnten. Ratten sind zwar eklig, aber nicht blöd. Außerdem müssen wir damit rechnen, dass sie eine hochwirksame Substanz besitzen. Wenn ein einziges mickriges Exemplar es locker mit vier Erdmännchen aufnimmt, was können dann Hunderte oder sogar Tausende Ratten ausrichten? All diese Überlegungen hat Rocky ganz bestimmt nicht angestellt, weil zwischen seinen Ohren immer nur jeweils eine einzelne Information abgespeichert werden kann. Momentan ist das vermutlich die Position des Startschalters vom Elektroschocker.
»Leuchte bitte mal da hin!«,
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