Voll Speed: Roman (German Edition)
und Kameras versehen, damit Rufus das Schlachtfeld überblicken kann.
Rocky und ich hocken ebenfalls in Gefechtstürmen. Unser ältester Bruder steht am Heck an einer Maschinenkanone, ich sichere die Mitte des Schiffes mit einer Flak. Wir alle tragen Neoprenanzüge, um vor den Stromstößen des Elektroschockers geschützt zu sein. Zufälligerweise gibt es diese Anzüge in allen Größen, weil man sie für Hunde kaufen kann, die Gefahr laufen, sich beim Schwimmen zu unterkühlen. Nicht auszudenken, was man für ein tolles Leben haben kann, wenn man als Hund geboren wird.
Langsam biegt die ESS Chester in jene Röhre ein, die zum Lager der Ratten führt. Ein paar Atemzüge noch, dann wird unser Schlachtschiff quer zum Feindeslager liegen. Zumindest vermute ich das, denn außer dem Glimmen der iPhone-Displays ist nichts zu erkennen. Das leise Wummern verstummt. Rufus hat die Maschinen abgestellt. Wie ein Wal gleitet die ESS Chester durch die Kloake.
Man hört nun ein leises Trappeln, gelegentliches Fiepen und dann und wann ein Rascheln. Im Hintergrund sind schemenhaft die Katapulte zu erkennen. Wir sind also an der richtigen Stelle.
Ein kaum hörbares Sirren verrät, dass Rufus die Aufklärungsdrohnen gestartet hat. Schemenhaft kann ich Rocky erkennen. Ich bin sicher, er kann es kaum erwarten, bis seine Maschinenkanone endlich Feuer spuckt.
»Unser Ziel soll der Sieg sein und kein langwieriger Feldzug«, höre ich Rufus flüstern.
»Beckenbauer?«, rate ich leise.
»Sunzi. Die Kunst des Krieges«, gibt Rufus zurück.
Schlagartig taucht ein Schwarm in der Luft stehender Helikopter die Kanalisation in gleißendes Licht. Auch das Rattenlager wird bis in den hintersten Winkel taghell erleuchtet, was die meisten unserer Feinde nicht nur erschreckt, sondern auch maßlos verwirrt.
Rufus’ Befehl »Feuer frei!« geht im Maschinenkanonengeballer von Rocky unter. Wir haben auch so verstanden, dass der Kampf begonnen hat.
Ich sehe den fetten Capo, der von seinem Pantoffel aufgesprungen ist und mich mit seinem weit aufgerissenen Auge ansieht. Wütend droht er mir mit erhobener Kralle. Ich lasse meine Flak antworten, weshalb der Alte die Flucht ergreift. Wie seine Soldaten versucht er, sich hinter den Katapulten in Sicherheit zu bringen. Ich vermute, dort gibt es einen Notausgang, der allerdings dem Ansturm gerade nicht gewachsen ist.
Der Capo versucht sein Glück, indem er über das Katapult krabbelt, um von dort aus in die Menge zu hechten. Dummerweise lösen die herumwuselnden Soldaten genau in jenem Moment den Mechanismus aus, als der Rattenboss sich auf der Schaufel des Wurfarms befindet.
In hohem Bogen wird der Capo in unsere Richtung geschleudert. Er verfehlt nur knapp eine Drohne, die ihm wahrscheinlich den Garaus gemacht hätte, und landet genau zwischen Rufus und mir, wo er bewusstlos liegenbleibt.
»Das Schicksal findet seinen Weg«, brüllt Rufus, um Rockys Dauerfeuer zu übertönen.
»Wieder Sunzi?«, versuche ich lauthals mein Glück.
»Vergil! Äneis!«, ruft mein genialer Bruder und schickt einen Schwarm Drohnen auf die Reise. Vor dem Eingang zur Rattenlagerröhre beziehen die kleinen Helikopter in der Luft Stellung.
»Feuer einstellen!«, brüllt Rufus.
Ich schaue mich nach Rocky um, der Rufus’ Befehl offenbar nicht gehört hat.
»Feuer einstellen!«, brülle ich.
Rocky hört auf zu feuern, lässt aber die Pfoten an der Waffe. »Seid ihr bescheuert? Wir haben sie in der Falle. Was soll das?«
» Er hat das Kommando«, sage ich.
Wütend verschränkt Rocky die Vorderbeine vor der Brust und lehnt sich in seinem Gefechtsturm zurück. »Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder?«
Rufus hat inzwischen ein Headset aufgesetzt, das mit einem Megaphon am Schiffsbug verbunden ist.
»Achtung! Achtung!«, dröhnt es durch die Kanalisation. »Hier spricht der Kommandant der ESS Chester . Wir verlangen die bedingungslose Kapitulation des Rattenvolkes und die Herausgabe sämtlicher Boote, Waffen und Drogen. Andernfalls werden wir den Beschuss fortsetzen.«
»Na kommt, sagt schon, dass ihr euch weigert«, höre ich Rocky flüstern, die Krallen um den Abzug seiner Maschinenkanone gelegt.
Erstaunlich, was Testosteron und Traubenzucker so alles anrichten können.
Eine große Ratte schält sich aus der Menge und hebt die Klauen. »Nicht schießen! Wir sind einverstanden!«
Rufus zieht triumphierend ein Zigarillo hervor, beißt die Spitze ab und spuckt sie ins Dreckwasser. Zufrieden grinsend steckt er sich den
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