Voll Speed: Roman (German Edition)
Luftüberwachung«, lüge ich das Blaue vom Himmel. »Ich denke, in ein paar Tagen werden wir das Frühwarnsystem auch auf Savannenadler ausgedehnt haben.« Um mich herum sehe ich zustimmendes Nicken. Sind hier wirklich alle so naiv? »Außerdem denken wir darüber nach, hier ein Wasserklosett einzubauen, um die Hygienebedingungen zu verbessern«, setze ich launig nach.
»Das wär echt gut«, gibt Roxane zu Protokoll. »Schon allein wegen der Babys. Die sollen auf jeden Fall hypnotisch aufwachsen.«
»Hypnotisch?«
»Ja, unter hypnotischen Bedingungen. Hast du doch gerade selbst gesagt.«
Okay, hier ist Hopfen und Malz verloren. Ich kann nur hoffen, dass die galoppierende Dummheit eine Folge der stickigen Luft ist. Wenn wir erst wieder im Freien leben, werden sich bestimmt alle wieder einkriegen.
Als ich den Rückweg antrete, ist es bereits dunkel. Fahles Mondlicht sickert durch das leere Gehege, und ich kann der Versuchung nicht widerstehen, mich für einen kurzen Moment auf unseren Hügel zu legen, um in den Sternenhimmel zu schauen. Ich atme tief durch und denke, dass es ein hoher Preis wäre, wenn man sich diesen phantastischen Anblick aus lauter Angst versagen müsste.
Dann fallen mir die Augen zu.
Ich erwache, weil ich von einem grellen Licht geblendet werde.
»Hier steckst du also.« Es ist Rufus. Er lässt den Lichtkegel der Taschenlampe zur Seite wandern.
»Verdammt«, sage ich und meine damit die Tatsache, dass ich eingeschlafen bin. »Tut mir leid, ich muss einfach weggedämmert sein.«
Rufus winkt ab. »Kein Problem. Du hättest mir sowieso nicht helfen können. Jetzt bist du wenigstens ausgeruht. Wir legen gleich los. Phil ist schon auf dem Weg. Ich sollte dir vielleicht vorher noch das Schiff erklären.«
Mühsam rappele ich mich auf. »Bist du gar nicht müde? Vielleicht solltest du dich ebenfalls ausruhen. Immerhin bist du der Einzige, der die Technik bedienen kann.«
»Mir geht’s gut«, erwidert Rufus lapidar.
»Wenn du beim Angriff ausfällst, dann sind wir geliefert.« Ich sage es mit Nachdruck.
»Wird nicht passieren«, erwidert Rufus und winkt ab.
»Wird nicht passieren? Wenn ich mich recht erinnere, dann ist deine letzte Schockstarre noch gar nicht so lange her«, beharre ich.
»Vertrau mir einfach.«
Ich mustere meinen Bruder. Schon erstaunlich, wie Rufus sich entwickelt hat. Nichts erinnert mehr an den Weichling, der er mal war. Im Gegenteil, Rufus wirkt jetzt regelrecht … Ich stutze. Mir fällt gerade ein kaum sichtbarer, weißer Schimmer unter Rufus’ Nase auf. Und ich bin sicher, dass es sich nicht um Mondlicht handelt.
»Scheiße, du bist auf Traubenzucker«, sage ich entgeistert.
Rufus lacht. »Was redest du denn da, Ray?«
»Gib mir die Taschenlampe! Ich will deine Pupillen sehen.«
Rufus rührt sich nicht. Dann sacken plötzliche seine Schultern nach unten. »Tu einfach so, als hättest du nichts gemerkt«, bittet er. »Ich krieg das wieder in den Griff. Ganz bestimmt. Wenn das hier vorbei ist, dann hör ich sofort auf mit dem Zeug.« In verschwörerischem Ton fügt er hinzu: »Und kein Wort zu Rocky. Ich hab die Asservatenkammer leergemacht. Wenn das rauskommt, bin ich geliefert.«
Wir tauschen einen langen Blick. Einerseits bin ich nicht überzeugt davon, dass mein Bruder mit Drogen umgehen kann. Andererseits steht es mir nicht zu, ihn zu verurteilen, zumal ich selbst kein Unschuldslamm bin.
Ich klopfe ihm schließlich auf die Schulter und sage: »Dann los! Zeigen wir diesen verdammten Ratten, wer in der Kanalisation das Sagen hat.«
Und so stechen wir in See – oder wie immer man die Brühe in der Kanalisation nennen will. Ein cholerischer Kraftprotz mit dem Intellekt einer Stubenfliege. Ein einsames Genie, zugedröhnt mit Partydrogen. Und meine Wenigkeit.
Das leise Wummern der ESS Chester wird von den Wänden der Kanalisation zurückgeworfen. Schleichfahrt. Rufus hat den Radar fest im Blick. Das Schiff ist ohnehin zu groß, um es von Hand durch die meist engen Röhren zu navigieren. Unser genialer Bruder steht am Bug in einem umgebauten Gefechtsturm. Dort befindet sich die Kommandozentrale. Sie besteht aus zwei iPhones, mit denen nicht nur das Schiff gesteuert, sondern auch unsere Luftwaffe koordiniert werden kann. Um uns herum warten überall kleine Helikopter auf ihren Einsatz. Weil Flugzeuge hier unten nur schwer zu manövrieren sind, hat Rufus die Idee gehabt, Helikopter mit Sprengstoff zu bestücken. Einige dieser Drohnen sind auch mit Lampen
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