Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
eigentlich hat Frau Schwalle nie Lust auf Extraarbeit. »Willst du dich denn nachmittags noch zusammensetzen?«
»Na, ich muss da ja gar nicht dabei sein. Zu der Konferenz müssen ja nur die Lehrer kommen, die Fatma unterrichten«, antwortet sie.
Ich bin baff. »Wie jetzt? Du beantragst eine Konferenz und willst nicht mal dran teilnehmen?«
»Ich unterrichte sie ja nicht.«
»Aber du musst doch erzählen, was passiert ist, du beantragst doch die Konferenz.«
»Ich habe doch alles aufgeschrieben.«
»Ja schon, aber Fatma sagt, dass es ganz anders war.«
»Ja, das kann ich mir denken.« Damit lässt sie mich verwirrt stehen.
Ich bequatsche mich mit Kolleginnen. Die Schwalle spinnt doch wohl. Eine Kollegin gibt mir folgenden Tipp: Ein Tadel ist ja schon eine Ordnungsmaßnahme, deshalb kann man gar keine zusätzliche Konferenz beantragen. Das werde ich im Schulgesetz nachlesen. Eine andere sagt: »Mach doch die Konferenz, und wenn Fatma aussagt, dass es anders war, und die Schwalle nicht dabei ist, um sich zu verteidigen, dann bekommt sie eben keine Strafe.«
Das kann ja noch spannend werden. Ich muss mich erst mal mit der Jahrgangsleiterin beraten.
Auch am nächsten Tag bleibt Frau Schwalle hart. Der Konferenzfall »Fatma« wird sich noch hinziehen. Vorsichtig frage ich Kollegin Schwalle, was sie sich denn von einer Konferenz verspricht. Als Reaktion wieder nur Schnappatmung und der Vorwurf, ich würde alles unter den Teppich kehren wollen. Meinetwegen soll sie ihre Konferenz haben. Ist mir langsam alles egal.
Die Jahrgangsleiterin schlägt vor, dass Frau Schwalle dann das Protokoll schreiben soll. Mittlerweile liegt auch eine ganz putzige Gegendarstellung von Fatma vor. Kollegin Schwalle scheint sie demnach gefragt zu haben, ob sie »geistig zurückgeblieben« ist. »Da fühlte ich mich so beleidigt, dass ich sie auch was zurück gesagt habe.« Was sie gesagt hat, kann man dann bei Frau Schwalle lesen. Beide Berichte enthalten zwei subjektive Darstellungen, die wahrscheinlich wenig mit der Realität zu tun haben.
Insgesamt war es heute kein schöner Tag in der Schule. Die Siebte hat gestresst. So richtig gestresst. Ich sie wahrscheinlich auch. Wir waren alle froh, als es endlich geklingelt hat.
Mit meiner Klasse gehe ich dann in den Computerraum, um Tornadovideos zu gucken. Die Hälfte der Klasse sucht die auf Facebook, die andere Hälfte fragt, wie die Tornados entstehen und ob die Sachen, die hochfliegen (Häuser, Autos und Kühe), auch wieder runterkommen. »Neee, wisst ihr, die kommen NIEEE mehr runter.« Schön auch Bilal: »Aber die Wurzeln von dem Haus waren noch da.« Schöner neuer Ausdruck für Fundament.
Als meine Schüler dann einen Augenzeugenbericht schreiben sollen, ist das Interesse schnell verflogen – wahrscheinlich mit dem Tornado – bye-bye .
»Können wir auf Klassenfahrt?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
Klassenfahrt ist momentan das Letzte, woran ich denke. Wieso sollte ich mit denen irgendwohin fahren? Schwänzen und nicht mitarbeiten, als wäre das ein Beruf.
Noch hundert Tage, dann ist deren Schulzeit – zumindest mit mir als Klassenlehrerin – vorbei. Und momentan denke ich, halleluja. Abgesehen von ihrer Performance als Schüler mag ich sie alle sehr, und in 101 Tagen können wir uns gerne treffen und alles Mögliche anstellen. Ich würde sogar mit ihnen verreisen. Wenn ich nur endlich die Verantwortung abgeben könnte. Diese Scheißverantwortung für ein Projekt, das schon völlig gegen die Wand gefahren ist.
Bärte, Busen und Bewerbungen
Während ich mir die Strümpfe anziehe und meine Tasche in den Schrank stelle, kommt die Erkenntnis. Einfach so, in der Umkleide beim Sport. Frau Dienstag ist Zeugin.
»Ich will gar nicht wie Fräulein Krise meine Klasse adoptieren, ich will und muss mich mal von der Verantwortung lösen!« Fräulein Krise hatte mir am Vortag erzählt, dass sie geträumt hat, sie hätte ihre gesamte Klasse adoptiert, und die würden alle bei ihr wohnen. Sofort überlegte ich, ob ich das nicht unterbewusst auch möchte.
Nein, ich bin mir sicher, das möchte ich nicht. Mich erwarten deren Halbjahreszensuren. Die muss ich gar nicht erst sehen, um zu wissen, dass sie mies sind. Nichts gemacht, jede dritte Stunde geschwänzt. Und wenn nicht geschwänzt, dann zu spät gekommen. Und wenn zu spät, dann auf jeden Fall mit Butterring, Börek oder Brötchen in den Unterricht, aber dafür ohne Hausaufgaben. Im Unterricht nur gequatscht, den eigenen Namen mit
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