Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
1999. Man sieht also: Wir machen alles etwas verspätet.
Und wenn ich mir mal was zum Anziehen kaufen will, dann gibt es nichts. Sind vielleicht die Sachen, die mir gefallen würden, immer dann zu haben, wenn ich gerade nicht in die Läden gehe? Langsam kommt es mir vor wie eine Verschwörung.
Also zum Beispiel: Ich will mir Hosen kaufen – stinknormale Jeans. Ich gehe in den einen Laden bei mir um die Ecke und grapsche alles an, bis endlich eine Verkäuferin kommt.
»Ja, Sie können mir helfen. Ich suche eine Hose. So eine normale. Möglichst unmodern und ohne Schnickschnack. Natürlich nicht zu eng.«
»Hm, schwierig. Also die hier und die, das sind Röhrenjeans. Und die hier ist unten mit Gummizug.«
»Ui, nein, so was geht gaaar nicht. Die sollten schon ein wenig weiter sein. So bequem halt.«
Sie breitet ein paar Hosen vor mir aus, die alle aussehen, als käme man zwar oben rein, unten mit dem Fuß aber nicht mehr raus. Ah, typisch, wieder ein ganz schlauer Schachzug der Bekleidungsindustrie. Es gibt mal wieder nur einen Style.
»Man soll jetzt nur enge Hosen tragen, oder?«, frage ich. Ich will in dieser Modeboutique auch nicht völlig ahnungslos rüberkommen. »Trägt man jetzt so, nicht? Enge Hosen. Tja, ich kann ja mal eine nicht ganz so enge von den Engen anprobieren.«
Mit einem Stapel Beinkleider mache ich mich auf den Weg in die Umkleide. Wenigstens ist die Beleuchtung hier nicht so fies cellulitebetont wie in den Kaufhäusern. Scheiße sieht man trotzdem aus. Meine Unterhose hat Löcher. Ich nehme die erste Hose, und beim Anziehen merke ich bereits wie meine Blutzufuhr abgeschnürt wird. Die also schon mal nicht. Die Zweite ziehe ich mit enormer Kraftanstrengung nach oben und kann sie sogar schließen. Ich gehe raus und gucke in den Spiegel.
»Sieht super aus«, stellt die Fachverkäuferin ungefragt fest. Das sagen sie immer. Immer sieht es super aus, nur mir gefällt es nicht. Vielleicht sollte ich einfach eine Röhre in zwei Nummern zu groß nehmen. Ich betrachte mich und muss unweigerlich an die Leggings meiner Schülerinnen denken. Was die sich trauen. Mir ist die Zurschaustellung meines Oberschenkelfetts echt ein Graus. Hose also wieder aus, die Nächste an, wieder aus und dann noch eine.
Irgendwann kann ich nicht mehr. Ich will aber unbedingt konsumieren, also kaufe ich eine ziemlich enge schwarze Hose. Trägt man halt so heutzutage, denke ich an der Kasse.
Einen Tag später ist mein Konsumrausch noch nicht gestillt, also nötige ich den Freund, sich neu einzukleiden. Der hat nun wirklich nie Bock, sich neue Sachen zu kaufen, und sieht deshalb oft so aus, als wären wir ausgebombt worden und alle Einkaufsmöglichkeiten auch.
Und wie läuft das bei ihm? Die Verkäuferin: »Weite Hosen? – Kein Problem! Hier.«
Er – Hose an: »Passt, nehm ich.« Das geht mir viel zu schnell, deshalb zwinge ich ihn, noch eine in Schwarz und eine Jeans anzuziehen. Gibt’s doch gar nicht. Der zieht drei Hosen an, alle drei Hosen sehen gut aus und werden deshalb auch alle drei gekauft.
Schön, dass die Männer in ihren weiten, bequemen Hosen uns Frauen in den unbequemen Röhrendingern und wurstigen Leggigns hinterherglotzen können.
Haben Sie Angst vorm Teufel?
»Könnt ihr mal leise sein, ich möchte jetzt echt endlich anfangen.«
»Frau Freitag, kennen Sie Flanders von den Simpsons ?« Kenne ich – aber der hat jetzt nichts in meiner Einführung zu Parts of the Body zu suchen.
»Frau Freitag, kennen Sie? Flanders? Von den Simpsons ?«
»Kann ich Fenster aufmachen? Ist so heiß hier.«
»Frau Freitag, benutzen Sie Kajal?«
»Frau Freitag, ich habe Geosense gespielt, am Computer, aber ist nicht so geil, wie Sie gesagt haben. Es gib’s ja nicht mal Punkte.«
»Frau Freitag, gucken Sie überhaupt die Simpsons ?«
»Heute fängt Topmodels an. Ich freue mich schon. Gucken Sie auch?«
»Frau Freitag, gehen wir wieder Computerraum?«
Fragen über Fragen und kein aufmerksames Lauschen. Wie soll ich denn hier mit dem Unterricht beginnen? Ich muss meine ganze Energie, meine ganze pädagogische Kraft aufbringen. Mein Didaktiknetz über sie werfen, sie einfangen und auf meine Seite ziehen. Da wollen sie aber gar nicht sein. Sie wollen Fragen stellen und Antworten bekommen. Wie leicht wäre es, mich einfach nur an meinen Schreibtisch zu setzen, um die Fragen der 7C zu beantworten.
»Ja, ich gucke auch die Simpsons, und was ist denn nun mit Flanders?«
»Ich finde den irgendwie komisch.«
»Na,
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