Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
weißt du denn nicht, dass Flanders der Teufel ist?«
»Der TEUFEL? Echt?«
»Ja, es gibt einige ältere Folgen, und da kommt raus, dass er Satan ist.«
»Sind Satan und der Teufel eigentlich zwei oder nur einer?«
»Ist nur ein anderer Name. Wie Allah und Gott.«
»Ich habe Angst vor dem Teufel. Sie auch?«
»Nee, Angst irgendwie nicht. Angst habe ich vor Altersarmut, aber lassen wir das. Wir müssen ja nicht über den Teufel sprechen. So, nächste Frage? Ach so, Vanessa, Kajal. Na, da dir heute offenbar aufgefallen ist, dass ich Kajal benutzt habe, kannst du dir die Frage ja selbst beantworten. Ich benutze ab und zu Kajal. Und wenn ich das mache, dann fällt euch das eben auf.«
»Frau Freitag, mir ist das gar nicht aufgefallen.«
»Mert, du bist ja auch ein Junge. Hast wahrscheinlich keinen Blick dafür. Jetzt habe ich aber mal eine Frage an euch.«
»Jaaa? Was denn?«
»Warum wollt ihr von mir jetzt keine Stunde zu den Körperteilen? Guckt doch mal an die Tafel, ich habe mich extra da drangezeichnet.«
»Hahaha, ach, das sollen Sie sein? So schlimm sehen Sie doch gar nicht aus.«
»Danke, Murat. Freundlich.«
»Na gut, wenn Sie unbedingt wollen, dann können wir ja die Stunde machen. Aber können wir dann auch früher gehen?«
»Früher gehen? Nein, auf keinsten. Aber wir können nachher noch Viereckenraten spielen.«
»Au jaaa, Viereckenraten!«
»Frau Freitag, nun fangen Sie schon an mit Ihrer blöden Stunde. Aber kann ich das Fenster aufmachen?«
Ahmet, der Hurensohn
»So, jetzt setzt euch mal alle hin«, sage ich mit letzter Kraft am Ende der Stunde. Fünf Minuten trennen mich vom Wochenende. Dschinges mit seinem ADHS und die anderen mit ihrer verrohten Sprache haben mir heute echt den Rest gegeben. Warum mache ich mit denen auch Pappmaché in Kunst?
»Ich fass den Schleim nicht an!«
»Das ist Kleister. Kein Schleim. Tapetenkleister.«
Mittlerweile nennen sie es schon Gleim. »Ihh, du hast mir Gleim an die Jacke geschmiert, Hurensohn!« Und bevor aufgeklärt werden kann, dass es sich lediglich um Wasser handelt, hat Dschinges eine Ladung Gleim auf seinem Pulli.
Zu Beginn jeder Stunde rennen die Jungs – in diesem Kurs sind NUR Jungs – durch den Raum und schlagen sich mit ihren Pappmachétieren. Bei einem fliegen gleich zwei Beine ab. Ahmet arbeitet seit Stunden gar nicht mehr an seiner Plastik. Ich sage ihm dann immer: »Dann kannst du auch gehen.«
»Aber dann bekomme ich ja eine Fehlstunde.« Er hat einfach Angst, was zu versäumen. Ich hätte gar nichts dagegen, diese Stunden zu versäumen. Gerne würde ich dafür die eine oder andere Fehlstunde in Kauf nehmen. Heute arbeitet Ahmet sogar. Aber am Ende sehe ich, dass er nur ganz viel Kleister auf den Kopf von seinem Pinguin geschmiert hat – damit der schön hart ist für die Schlacht am Beginn der nächsten Stunde, Optimierung der Waffen sozusagen. Nächste Stunde verstecke ich das Teil. Mal sehen, womit er dann kämpfen wird.
Irgendwie schaffe ich es, die Stunde zu überleben. Am meisten nervt echt die versaute Sprache der Jungs. Keine Klasse, die ich unterrichte, ist so dermaßen ordinär. Ständig geht es nur ums Ficken, obwohl die das alle noch nicht machen. Und jeder Satz beginnt und endet mit »du Hurensohn«.
Jetzt sitzen sie alle ruhig auf ihren Plätzen. Der Raum ist aufgeräumt, ich möchte ihnen ihre Mitarbeitsnoten vorlesen. Ein kleines Ritual am Ende jeder Stunde, das wir alle mögen, denn so können wir in den letzten fünf Minuten einfach nur rumsitzen.
»So, jetzt eure Noten.«
Ahmet guckt mich entsetzt an: »Was haben Sie gesagt? Ihr NUTTEN?«
»Ja, Ahmet, ich habe gesagt: ›So, ihr Nutten.‹ Ja, Ahmet, du Hurensohn, genau das habe ich gesagt.«
Ahmet versteht die Welt nicht mehr. Frau Freitag hat »Hurensohn« zu ihm gesagt. Bevor er diese für ihn völlig ungewohnte Situation einordnen kann, kläre ich ihn auf.
»Ahmet, das war ein Witz, aber so redet ihr die ganze Zeit. Ich kann es echt nicht mehr ertragen.«
Die anderen kichern, jetzt grinst auch Ahmet wieder, es klingelt, wir wünschen uns alle ein schönes Wochenende und schlendern in unseren »Feierabend«. Und draußen scheint sogar die Sonne.
Deutschlernen und Kinderkriegen
Abdul sagt, dass sein Vater jetzt einen Deutschkurs besucht, aber nie seine Hausaufgaben macht. »Und er benutzt die Artikel immer falsch.« Kichernd erzählt er, welche Fehler sein Papa macht. Fatma schmeißt sich weg, weil ihre Mutter neulich am Telefon gesagt hat, dass
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