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Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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sie jetzt auf ein Gymnasium geht, obwohl sie auch nur einen Deutschkurs besucht. »Meine Mutter macht auch einen Deutschkurs«, erzählt Elif. »Voll schlimm, immer nur: ich bin, du bist, er ist …«
    Dann geht es ums Kinderkriegen. »Mein Kuseng ist fast im Klo geboren«, erzählt Fatma. Die Mädchen sind sich einig, dass sie höchstens drei Kinder haben wollen. » Vallah , ich will nicht so leben wie meine Mutter. Immer nur zu Hause und den Haushalt machen.«
    »Ist nicht schwer, Haushalt. Mach ich immer«, sagt Elif.
    »Ja, ich mach auch immer alles«, sagt Fatma, »aber ist voll langweilig.«
    »Na ja, manchmal denke ich, ist doch auch schön. Meine Mutter kann immer zu Hause chillen, und ich muss zur Schule gehen.«
    »Also ich will auf jeden Fall arbeiten gehen. Und ich will auch nicht so früh heiraten«, sagt Elif.
    Fatma: »Hast du gehört, Ebru ist verheiratet. Sie bereut es voll. Sie sitzt immer nur zu Hause und starrt die Decke an.«
    Ach herrlich, so könnte es immer sein. Die Schüler erzählen mir aus ihrem Leben und von ihren Zukunftsvorstellungen. Und alles hört sich gut an. Warum soll man sich da noch Sorgen machen? Das wird schon. Ich bin da ganz zuversichtlich, weil die einfach ganz toll sind.
    Kernschmelze in Japan
    »Frau Freitag, Japan!«
    »Ja, voll schlimm. Ich kriege voll Gänsehaut. Heute Morgen ist ja noch mal was explodiert.«
    »Echt? Noch ein Atomkraftwerk?«
    »Nein, aber so ein … na, also in dem einen Atomkraftwerk drin. Diese eckigen Teile. Hast du doch bestimmt gesehen im Fernsehen.«
    »Frau Freitag?!«
    »Ja, Elif?«
    »Warum ist das eigentlich alles so schlimm?«
    Ich spreche über Kernschmelze, Verstrahlung, erzähle von Tschernobyl. Es ist voll früh. Es ist voll leer. Es ist voll gemütlich. Die paar Schüler, die sich aus dem Bett gewagt haben, sitzen ganz dicht an meinem Schreibtisch.
    »Soll ich mal Radio anmachen?«, fragt Mustafa und wartet meine Antwort gar nicht erst ab. Wir hören die Nachrichten. Katastrophennachrichten. Auf der Straße und in der Schule ist es noch menschenleer und unheimlich ruhig. Ich komme mir vor, als wäre ich mit den Schülern sehr nah dran an Japan.
    »Frau Freitag, warum machen die das denn mit den Atomkraftwerken, wenn das so gefährlich ist?«, fragt Elif. Eine einfache und sehr schlaue Frage. Ich finde keine Antwort darauf. »Ich glaube, weil es billig ist. Sonst wüsste ich auch nicht, wieso.«
    Das Radio ist wieder aus, und in friedvoller Ruhe zeichnen die Schüler vor sich hin. Ich gucke sie mir an und denke: Die sind super. Jeder Einzelne von denen.
    Dschinges
    »Frau Freitag?«
    »Ja, Dschinges?«
    »Was haben Lehrer für Gedanken?«
    Dschinges guckt gar nicht von seiner Zeichnung auf. Er sitzt direkt vor mir, die anderen Schüler sind im Raum verteilt und hören uns nicht.
    »Was meinst du? Was für Gedanken?«, frage ich ihn.
    Jetzt legt er den Bleistift weg und guckt mich an: »Was denken Lehrer so? Ich würde gerne wissen, wie die so denken.«
    Im Paralleluniversum, in dem es keine Atomkraftwerke und keinen Krieg gibt, kein Privatfernsehen und keine Häme, wo überall gelbe Tulpen wachsen und es immer Frühling ist, da sage ich: »Dschinges, wenn dich das wirklich interessiert – ich schreibe das jeden Tag auf, was ich denke.«
    »Sie schreiben das jeden Tag auf?«
    »Ja. Wenn du willst, bringe ich dir das mal mit. Du kommst auch oft vor.«
    »Echt? Ich?«
    »Ja, vor zwei Jahren, weißt du noch, wie du immer so genervt hast? Da habe ich viel drüber geschrieben. Kannst du dich daran erinnern?«
    Er grinst und nickt.
    »Ich beschreibe dich aber recht liebenswert. Weil, du warst ja irgendwie auch ganz süß.«
    »Bin ich doch immer noch.«
    »Ja, bist du immer noch. Und jetzt nervst du auch nicht mehr so doll.«
    »Sie auch nicht. Und was Sie da schreiben … ja, würde ich gerne mal lesen.«
    In der Realität sage ich: »Was meinst du denn?«
    »Na, was denken die Lehrer über die Schüler?«
    »Also, ich verstehe zum Beispiel nicht, warum meine Schüler immer so viel schwänzen. Vor allem die in meiner Klasse. Das ärgert mich. Das macht mich richtig wütend. Weil die sich ja ihren Schulabschluss versauen.«
    »Das macht Sie wütend?«
    »Ja, voll, weil die eigentlich gute Noten haben könnten.«
    »Ich glaube, vielen Lehrern sind die Schüler egal.«
    »Meinst du? Aber nicht den Klassenlehrern. Was sagt denn Herr Werner? Was meinst du denn, was der über euch denkt?«
    »Ich glaube, der denkt so, dass wir so seine Jungs

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