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Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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so wegen Kopftuch.« Asmaa trägt seit der 9. Klasse ein Kopftuch. Sie ist trotzdem immer total geschminkt und sehr modisch angezogen. Sie sieht echt super aus, wird von allen Jungen heiß begehrt und auf Facebook täglich angeflirtet. Asmaa hat sich noch bei keinem Betrieb oder sonst irgendwo beworben. Kein Wunder, dass sie die Suche nach einem Ausbildungsplatz als schwierig empfindet. Ohne Bewerbungen bekommt man wohl auch keine Angebote.
    »Frau Freitag, diese Isra, kennen Sie die? Sie hat auch Kopftuch, sie war letztes Jahr noch auf der Schule. Sie hat einen ganz tollen Abschluss. Und dann hat sie sich beworben bei so einer ganz tollen Firma, und sie hatte ein Foto geschickt, wo sie ohne Kopftuch war, und sie hat auch den Ausbildungsplatz bekommen. Aber dann, als sie anfangen wollte, da haben sie gesagt, dass sie sie mit Kopftuch nicht nehmen werden. Dann saß sie ganz lange zu Hause. Und jetzt arbeitet sie in dem Laden von ihren Eltern. Ihre Mutter sitzt immer hinten mit Freundinnen, trinkt Tee und quatscht. Und sie muss den ganzen Tag an der Kasse sitzen. Aber das ist so ein Laden, wo die so Taschen verkaufen. So für zehn bis fünfzehn Euro.«
    Asmaa verzieht das Gesicht, um mir zu zeigen, dass diese Taschen nicht kaufenswert sind und der Verkauf deshalb wahrscheinlich auch keinen Spaß macht.
    »Frau Freitag, wenn ich so eine Arbeit hätte, dann wäre das ja okay, ich, mit meinem schlechten Zeugnis und so. Aber Isra, die war sooo gut und hatte sooo ein tolles Zeugnis.«
    Wir starren beide in die Luft und denken nach.
    »Und das alles nur wegen Kopftuch«, sagt Asmaa.
    Wir überlegen, was man tun könnte. Spielen verschiedene Möglichkeiten durch: Kopftuch tragen, Kopftuch abnehmen, Kopftuch auf der Arbeit nicht tragen und sonst doch – es ist alles nicht so leicht.
    Asmaa sagt, dass viele Frauen in ihrer Umgebung jetzt ihren eigenen Weg gehen: »Viele sind geschieden und lernen jetzt Deutsch.« Ich erkläre ihr, was Emanzipation ist.
    Hodda hört uns zu. Sie glaubt, dass sie die letzte Generation sein werden, die Kopftuch trägt: »Unsere Kinder werden das nicht mehr machen. Die werden sich bestimmt immer mehr anpassen.« Nüchtern sagt sie das. Ohne Groll, Angst oder Ablehnung. Sie stellt es einfach fest.
    Asmaa nützt das momentan nichts. »Tja, Asmaa«, sage ich, »vielleicht musst du die Erste sein, die das Kopftuch abnimmt, um einen guten Ausbildungsplatz zu bekommen. Und vielleicht musst du das aushalten, wenn die Leute dann Blödsinn über dich erzählen. Vielleicht tust du dich mit anderen Mädchen zusammen, und ihr macht das alle gleichzeitig.«
    Irgendjemand muss ja mal anfangen. Irgendeine Frau hat ja auch als Erste die Scheidung eingereicht. Aber Asmaa scheint nicht damit anzufangen. Soweit ich weiß, fährt sie ständig in den Libanon und wird bestimmt bald dort verheiratet.
    Lohnt sich nicht
    Lohnt sich nicht. Lohnt sich nicht. Lohnt sich nicht.
    »Fatma, wo warst du am letzten Mittwoch in den ersten drei Stunden?«
    »Die letzten Stunden sind doch ausgefallen. Lohnt sich nicht, dann zu kommen.«
    »Miriam, wo warst du heute Morgen?«
    »Ich wollte nur meinen Hefter abgeben, wegen der Zensur. Ich habe gleich um 13 Uhr einen Termin bei Jobcenter. Da dachte ich, dann fehle ich lieber den ganzen Tag. Weil, lohnt sich ja nicht, für die paar Stunden zu kommen.«
    »Die paar Stunden? Du hattest vier Stunden heute Morgen. Und es hätte sich sehr wohl gelohnt. Ihr habt eine Mathearbeit geschrieben.«
    »Schwör?!«
    »Ja, schwör.«
    »Bilal, wo ist deine Schultasche?«
    »Lohnt sich nicht, wir haben heute nur Kunst, Musik, Erdkunde, Mathe und Geschichte.«
    »Peter, warum hast du keinen Stift?«
    Seit mehreren Wochen kommt Peter ohne Stift zur Schule.
    »Ich muss immer so früh los, da schaffe ich es nicht, einen mitzunehmen.«
    »Mustafa, du warst jetzt seit Wochen nicht in meinem Kunstunterricht. Wir haben nur einmal die Woche. Es fällt noch so viel aus, wir haben wahrscheinlich nur noch acht Mal bis zu den Zeugnissen. Du stehst zurzeit auf einer Fünf.«
    »Wenn ich sowieso einen Ausfall in Kunst hab, muss ich dann überhaupt noch kommen?«
    »Marcella, Ayla, warum wart ihr nicht beim Sport?«
    »Wir waren zu spät, und da dachten wir, dann brauchen wir auch gar nicht mehr hinzugehen.«
    Lohnt sich nicht. Lohnt sich nicht. Lohnt sich nicht. Die Schülerlogik bleibt mir ein ewiges Rätsel.
    Fragt mich ruhig mal nach einer Klassenfahrt! Ich weiß schon, was ich antworte: »Lohnt sich nicht.«
    Aber

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