Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung im 100-jährigen Zeitraum 1950 bis 2050, wie es vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in seinem zwölften Bericht ermittelt wurde. 86 Für Männer wird es von 2010 bis 2050 um sieben Jahre von 44 auf 51 Jahre steigen, für Frauen sogar um acht Jahre von 46 auf 54 Jahre. Dies ist eine bedeutende, wenn auch im Trend keineswegs neue Strukturveränderung, denn sie setzt nur eine Entwicklung fort, die es schon seit dem Ende des Babybooms Anfang der 1970er-Jahre gibt. So lag im Jahr 1970 das Durchschnittsalter für Männer bei 32, für Frauen bei 37 Jahren, also zwölf beziehungsweise neun Jahre unter dem heutigen Niveau. Die Alterung der Gesellschaft als Ganzes war demnach im 40-jährigen Zeitraum 1970 bis 2010 deutlich stärker, als sie es im gleich langen Zeitraum 2010 bis 2050 sein wird. Es geht also demografisch um die – sogar leicht abgeschwächte – Fortsetzung eines längst beobachtbaren Trends.
Allerdings werden die Erwerbstätigen in der Zukunft im Durchschnitt schneller altern als die Gesamtbevölkerung. Dies war in der Vergangenheit anders. Der Grund liegt in jenen Anpassungen der Erwerbsbeteiligung, die gerade als Reaktion auf die Veränderungen am Arbeitsmarkt zu erwarten sind. So gab es in den letzten Jahrzehnten bei insgesamt hoher Arbeitslosigkeit zwar eine gemäßigte Tendenz zu späteren Eintrittsaltern ins Berufsleben, aber gleichzeitig einen starken Trend zu früheren Zeitpunkten des Ausscheidens (Frühverrentung). Per saldo dämpfte dies die Wirkung der Demografie auf die Altersstruktur der Erwerbstätigen. Genau das Gegenteil ist für die Zukunft zu erwarten: Mit den verbesserten Perspektiven am Arbeitsmarkt werden junge Menschen geneigt sein, ihr Erwerbsleben etwas früher zu beginnen. Vor allem aber werden ältere Menschen das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben hinauszögern. Genau wie früher ist zu erwarten, dass die Wirkung bei Älteren die bei Jüngeren dominiert, und zwar allein schon wegen der größeren Flexibilität im Alter: Ausbildungszeiten in der Jugend lassen sich nur begrenzt verkürzen, zumindest dann, wenn dies nicht zulasten der Qualität der Bildung gehen soll. Demgegenüber ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit viel leichter disponibel, zumal dann, wenn bei gestiegener Lebenserwartung sich auch der durchschnittliche Gesundheitszustand der Bevölkerung im siebten Lebensjahrzehnt deutlich verbessert und körperliche Arbeit aufgrund technischer Hilfsmittel an Bedeutung verliert. Genau dies ist in der Zukunft zu erwarten.
In dieselbe Richtung wirken auch die Zwänge der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. 87 Vor allem Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen beruhen in Deutschland im wesentlichen Kern auf Prinzipien einer Umlage, bei der die gegenwärtig arbeitende (und relativ gesunde) Generation durch ihre Beiträge die Leistungen für die (relativ krankheitsanfälligen und pflegebedürftigen) Ruheständler finanziert. In einer Welt mit schnellem (und teurem) medizinischem Fortschritt sowie immer höherer Lebenserwartung wird es deshalb zunehmend schwieriger, ohne massive Beitragserhöhung die Systeme zu finanzieren. Zwar mag es im Gegenzug durch die verbesserte Arbeitsmarktlage deutliche Senkungen des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung geben, doch lässt allein schon die Größenordnung der Beitragszahlungen eindeutig erwarten, dass es insgesamt im Trend eine Zunahme der Sozialversicherungsbeiträge geben wird. 88 Zentrale Stellschraube zur Abfederung dieses Trends ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, denn sie hat für die Entlastung des Rentensystems eine Art doppelte Dividende, weil sie die aktive Arbeitsphase verlängert und gleichzeitig die Ruhestandsphase verkürzt. Sie hilft damit, die Beitragsbelastung in Grenzen zu halten, sorgt aber im Gegenzug für eine noch verstärkte Alterung der Erwerbstätigen im Vergleich zur Bevölkerung als Ganzes. Die Zeit der Abfederung demografischer Trends auf dem Arbeitsmarkt ist deshalb vorbei, eine Zeit des direkten oder sogar akzentuierten Durchschlagens steht bevor.
Damit ist klar: Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Innovationskraft der deutschen Wirtschaft muss die Tatsache sein, dass die deutsche Erwerbsbevölkerung altert, und zwar deutlich. Leider wissen wir erstaunlich wenig darüber, wie sich dies auf die Innovationskraft der Gesellschaft auswirkt. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen sind die marktgetriebene Suche nach neuem Wissen und
Weitere Kostenlose Bücher