Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
bei steigendem Anteil Älterer für die Gesellschaft insgesamt, aber es gilt insbesondere dann, wenn zur Entlastung der Rentenkassen mehr Ältere länger im Erwerbsleben verbleiben. Der zentrale Grund ist dabei die Abnahme „fluider“ Kompetenzen, die gerade für die Innovationskraft einer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind. 93
So weit, so richtig. Allerdings muss nochmals nachdrücklich betont werden, dass die Forschung über diese Zusammenhänge wirklich noch in den Kinderschuhen steckt. Vor allem fehlte ihr bisher eine gesamtwirtschaftliche Systematik, die es erlauben würde, aus plausiblen – und empirisch gesicherten – Erkenntnissen der Psychologie und verwandter Disziplinen auf volkswirtschaftliche Ergebnisse rückzuschließen. Möglicherweise wird sich diese Forschungslücke in den nächsten Jahren zumindest im Ansatz schließen. So untersucht das Munich Center for the Economics of Aging unter der Leitung von Axel Börsch-Supan in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, wie sich das Alter auf die Häufigkeit und Schwere von Fehlern in der Herstellung von Produkten oder Dienstleistungen auswirkt. Abgeschlossen ist dabei eine Studie für den Fahrzeugbau, in Arbeit sind Studien für die Chemie- und die Versicherungsbranche. 94 Das Bild ist dabei recht eindeutig: Ältere Arbeitskräfte machen zwar mehr Fehler, aber die Schwere der Fehler ist deutlich geringer als bei jungen, sodass sich am Ende, ökonomisch bewertet, sogar eher eine Verbesserung der Produktivität mit dem Alter einstellt. Dieses Ergebnis liefert eine erste umfassende Abwägung der volkswirtschaftlichen Kosten von „fluider“ und „kristalliner“ Intelligenz. Das Bemerkenswerte: Die kristalline Intelligenz hat sogar ein Stück weit die Nase vorn. Von einer „Produktivitätsschwäche des Alters“ kann jedenfalls keine Rede sein. Die Diskussion bleibt also offen.
Lasset uns forschen!
Die versteckte Innovationskraft der deutschen Universität
Junge Fachkräfte werden knapp. In der Wissenschaft heißt dies: Junge Forscher werden knapp. Dies ist für die deutsche Industrie ein großes Problem, das vielfältige Anpassungen verlangt. Für die deutschen Universitäten ist es noch mehr, nämlich eine existenzielle Herausforderung. Denn neben der Lehre ist die Grundlagenforschung der zentrale Zweck der Universität. Und wenn dort unüberwindliche Engpässe auftreten, die das Entstehen neuer Ideen behindern, dann stellt sich gleich die Frage, warum sich die Gesellschaft einen solchen nutzlosen Luxus überhaupt leisten soll.
Die Natur der Sache macht das Problem nicht einfacher: Vieles spricht dafür, dass gerade begabte junge Menschen besonders gut zu motivieren sind, sich in hoch spezialisierte Detailprobleme der Grundlagenforschung zu vertiefen, und seien sie auch noch so abstrakt. Ihre unverbrauchte und relativ vorurteilsfreie Kreativität hilft ihnen dabei, Neues aufzuspüren und Altes zur Disposition zu stellen. Tatsächlich waren es meistens die Ideen ihrer jugendlichen Forscherzeit, die den Nobelpreisträgern in den Natur- und Wirtschaftswissenschaften die Preiswürde sicherten. Ihre entscheidenden Durchbrüche zu neuen gedanklichen Ufern fanden fast immer recht früh statt. Der verbleibende Rest des Lebens – oft viele Jahrzehnte – diente dann dem Forschungsmanagement auf der Grundlage des Neuen.
Kurzum: Kein Terrain der Gesellschaft ist so auf die Ideen der Jungen angewiesen wie die Grundlagenforschung der Wissenschaft. Auch dem Ersetzen von Jüngeren durch Ältere sind hier engere Grenzen gesetzt als in der angewandten Forschung der Industrie. Denn dort gibt es viele Arbeitsvorgänge, die stark durch Routine geprägt sind – etwa im Experimentieren und Testen von neuen Produkten mit Blick auf deren Sicherheit und Marktfähigkeit. Nicht so in der Grundlagenforschung: Es gibt dort nicht in gleichem Maße jenen Großbetrieb der Arbeitsteilung von Forschung und Entwicklung, der auch den Älteren noch einen gesicherten Platz bietet, außer in der Lehre und im Management des Universitätsbetriebs.
Die Konsequenz daraus ist einfach: Die deutsche Universität muss alles tun, um den wenigen, begabten Jungen den Weg zu ebnen, ihre Kreativität möglichst gut und möglichst lange in Ergebnisse umzusetzen. Das heißt konkret: völlige Entlastung von administrativen Bürden und Einsatz in der Lehre nur dort, wo andere begabte Studierende und der Lehrer selbst motiviert und bereichert werden. Daraus folgt:
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