Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
für die gesamtwirtschaftliche Innovationskraft vor Augen zu führen. Was wissen wir darüber? Und wie können wir uns künftige Veränderungen vorstellen?
Schumpeter heute:
Was ist eigentlich eine Innovation?
„Allgemeiner geht‘s nicht!“ Das ist der moderne Leser versucht auszurufen, wenn er Joseph Schumpeters Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung aus dem Jahr 1911 zur Hand nimmt, um herauszufinden, was die Wirtschaftswissenschaft unter „Innovation“ versteht. Der später berühmte österreichische Ökonom definierte in seinem längst klassischen Werk das „Wesen der Unternehmerfunktion“ als die „Durchsetzung neuer Kombinationen“. Dazu zählt praktisch alles, was einem Unternehmen einfallen könnte, um die Wertschöpfung zu steigern: neue Produkte, neue Produktionsprozesse, neue Märkte, neue Methoden der Markterschließung, neue Organisationsformen etc.
Dieses weite Begriffsverständnis Schumpeters ist bis heute die Grundlage für das, was wir unter Innovationen verstehen. Allerdings hat die Wirtschaftsgeschichte längst gezeigt, dass es doch vor allem die technische Innovation ist, die im Reigen der Neuerungen als zentrale Antriebsquelle des Fortschritts eine herausragende Bedeutung hat. Sie liefert in aller Regel den Anstoß für Neues in Organisation, Produktionsprozessen und Markterschließung, und nicht umgekehrt. So sorgten zum Beispiel die Siegeszüge des elektrischen Stroms und später der Mikroelektronik für eine breite Welle von Neuerungen, die weit über das rein Technische hinausgingen – bis hin zu der weltweiten Kommunikation, die das Internet heute erlaubt.
Andererseits braucht die Innovation die Lenkung durch den Markt, um nachhaltig profitabel zu sein. Eine marktblinde technische Neuerung mag das Wissen der Menschheit mehren, trägt aber nichts zu ihrer Wertschöpfung bei, jedenfalls nicht auf absehbare Zeit. An dieser Stelle kommen dann doch all jene komplementären Innovationen zum Tragen, die – angestoßen durch neue Technik – diese erst zur Marktreife führen. Hier sind vor allem Organisation und Marketing gefragt, und diese eröffnen dann natürlich wieder breiten Raum für ganz andere Sparten der Innovationskraft, die oft gar nichts mehr mit dem Technischen zu tun haben. Nachhaltig innovativ sind deshalb zumeist jene Regionen und Nationen, deren Bevölkerung über ein breites Spektrum von Fähigkeiten und Qualifikationen verfügt, um das technisch Neue nicht nur zu schaffen, sondern auch in neuen Produkten und Verfahren erfolgreich umzusetzen. Nicht die extreme Spezialisierung auf Technisches ist das Erfolgsrezept, sondern jene technische Exzellenz, die eingerahmt wird von einem breiten Band zusätzlicher „skills“. Dazu zählen auch die Domänen der Geistes- und Kulturwissenschaft, die erst die nötige Farbe und Originalität in der Umsetzung von marktfähiger Technik beisteuern.
Auch die moderne Arbeitsteilung der Weltwirtschaft erweitert das Feld für „neue Kombinationen“ im Sinne Schumpeters. Dabei wird wahrscheinlich die traditionelle Unterscheidung zwischen „high tech“ und „low tech“ immer mehr an Bedeutung verlieren. Der Grund: Riesige neue Märkte in Entwicklungs- und Schwellenländern verlangen oft neue Varianten von Produkten und Prozessen, die anderswo längst in hochwertiger und komplexer Form entwickelt wurden. Diese werden gewissermaßen zum zweiten Mal erfunden, diesmal in einfacher und preiswerter Gestalt, die in anderen Teilen der Welt so gar nicht gebraucht wird. Es entsteht damit Neues durch „frugale Technologie“. Und diese kommt oft gerade nicht aus den bestens gerüsteten Forschungslabors, wo hoch spezialisierte Wissenschaftler mit systematischer Akribie vorgehen. Stattdessen ist sie immer öfter das Ergebnis von intelligentem Suchen und Probieren, das von einer riesigen Zahl von Anwendern geleistet wird.
Ganz Ähnliches beobachten wir inzwischen in hoch entwickelten Industrienationen. Die moderne Informationstechnik macht es möglich: Sie ist so bedienungsfreundlich, dass etwaige Verbesserungen oft von bescheidenen Nutzern und Anwendern ausfindig gemacht werden. Forschung wird damit zur alltäglichen Beschäftigung, und es eröffnen sich neue Chancen für eine innovative „Unternehmerfunktion“. Also „neue Kombinationen“, wo man nur hinschaut. Allgemeiner geht‘s nicht. Schumpeter hatte wohl doch recht.
Zunächst zu den Fakten der Alterung: Wie werden deren Eckdaten konkret aussehen? Schaubild 15 zeigt das
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