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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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hinreichend großen Anteil des zusätzlichen Ausstoßes an Treibhausgas kontrollieren, das die globale Energiebilanz bestimmt. Genau dies ist nicht der Fall. Schaubild 16 zeigt eine gängige Prognose der CO 2 -Emissionen bis 2035 für zwei wichtige Ländergruppen der Erde, die OECD-Länder und die Nicht-OECD-Länder, also gewissermaßen die Gruppe der Industrieländer und den Rest der Welt. Das Bild ist eindeutig: Die gewaltige Dynamik der Zunahme ergibt sich aus der Entwicklung in den Schwellenländern. Was die OECD-Länder tun (und damit auch Deutschland und die Europäische Union), hat für sich genommen nur minimalen Einfluss auf das globale Ergebnis. 111
    Der Grund für dieses Ergebnis liegt auf der Hand: Die großen Schwellenländer der Welt – China, Indien, Indonesien, Brasilien und andere – werden mit hoher Wahrscheinlichkeit weit schneller wirtschaftlich wachsen als die bereits wohlhabenden Industrieländer. Und da mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung von dieser Wachstumsdynamik betroffen ist, dominiert sie das Gesamtbild. Pointiert formuliert: Der Weg der Schwellenländer in den Wohlstand ist der Weg der Welt in einen global steigenden Energieverbrauch und damit in einen massiven Anstieg der globalen Treibhausgasemissionen. Ein Plädoyer für die Energiewende in Deutschland (und auch in der Europäischen Union) kann sich also nicht auf deren direkte globale Wirkung stützen. Dafür sind Deutschland und Europa einfach zu klein. Genauer gesagt: Sie schrumpfen relativ zum Rest der Welt und werden damit immer kleinere Spieler im Kampf gegen den Klimawandel. Dieser ist eben seinem Wesen nach global und kann deshalb auch nur global bekämpft werden. Hinzu kommt, dass ökologische Alleingänge dieser kleinen Spieler auf längere Sicht zu Standortverlagerungen von emissionsintensiven Industrien führen können. Dieser Effekt – im Fachjargon als „carbon leakage“ bezeichnet – dürfte umso stärker ausfallen, je mehr auf eine starre nationale Regulierung zur Senkung von Treibhausgasen als Instrument der Umweltpolitik zurückgegriffen wird. 112
    Kurzum: Es fehlt eine Brücke zwischen der Entscheidung für eine Energiewende auf nationaler oder europäischer Ebene und dem eigentlichen Ziel, dem erfolgreichen Kampf gegen den globalen Klimawandel. Ohne diese Brücke bliebe die Energiewende in Deutschland nicht mehr als die Beruhigung eines ökologischen Gewissens, eine Art ethisches Fundamentalpostulat, das aus moralischen Gründen nicht hinterfragt wird. Dies würde die ökologische Diskussion vollends aus dem Aktionsfeld einer rationalen gesellschaftlichen Diskussion hinausführen und auf eine Art quasi-religiöse Ebene heben. In einer freiheitlichen Gesellschaft wäre dies rundum inakzeptabel. Ein Plädoyer für die Energiewende in Deutschland muss also doch begründen, warum die Entwicklung in der Welt von Deutschland aus maßgeblich zu beeinflussen ist. Infrage kommen dafür zwei Kanäle: der Technologietransfer und die Rolle Deutschlands als Vorbild.
    Zunächst zum Technologietransfer. Es gibt im Grundsatz wohl keinen Dissens darüber, dass es sinnvoll ist, für einen möglichst zügigen Transfer umweltschonender Technologien von Deutschland in schnell wachsende Entwicklungs- und Schwellenländer zu sorgen. In dieser Hinsicht bieten sich hervorragende Möglichkeiten: Praktisch in allen Bereichen der Energietechnologie – vom Kraftwerksbau und -betrieb über die Transportnetze und Speicherkapazitäten bis hin zur Gebäudedämmung – ist Deutschland bereits heute führend in der Welt. Ein groß angelegtes Programm mit dem Ziel, diese Technologien in Entwicklungs- und Schwellenländern zum Einsatz zu bringen, um deren Energie- und Emissionsintensität des wirtschaftlichen Wachstums in den nächsten Jahren zu reduzieren, wäre in der Tat eine der naheliegenden Maßnahmen, um den globalen Zielen näher zu kommen. Genau dies ist inzwischen eine Standardforderung von Umweltökonomen, die zu Recht beklagen, dass Deutschland und Europa sich fast ausschließlich auf die Verbesserung ihrer eigenen Energiebilanzen konzentrieren, statt das globale Bild in den Blick zu nehmen. Dabei erreicht ein Euro an ökologisch motivierten Investitionen in Deutschland nicht annähernd die gleiche klimaschonende Wirkung wie die Investition dieses Euros in Entwicklungs- und Schwellenländern. Der fundamentale Grund dafür ist fast trivial: In einer Welt, die technologisch noch immer in einen „fortgeschrittenen“ und einen

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