Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
Vom Netzwerk:
„zurückgebliebenen“ Teil zerfällt, sind die zusätzlichen Kosten einer weiteren Verbesserung der Energie- und Klimabilanz im fortgeschrittenen Teil weit höher als im zurückgebliebenen. Der einfache Technologietransfer, sei er kommerziell oder staatlich gefördert, kann deshalb enorm helfen, die Emissionsbilanz der Welt als Ganzes zu verbessern. Genau deshalb wird er von Umweltökonomen regelmäßig gefordert. 113

    Tatsächlich geht es hier um den Kampf gegen eine ganz offensichtliche Ineffizienz. Will man ihn wirklich erfolgreich führen, so müsste die deutsche Klimapolitik ganz anders aussehen als derzeit. Sie müsste ernsthaft versuchen, eine Art Rangordnung aufzustellen, mit welchem Instrument die globale Klimawirkung einer öffentlichen Subvention maximiert wird. Es ist zu vermuten, dass es dabei zu einer massiven Umlenkung der Mittel in den Bereich des Technologietransfers käme. Mehr als das: Es käme wohl auch zu einer völligen Umorientierung der energiepolitischen Prioritäten, und zwar gerade weg von einer (schnellen oder forcierten) Energiewende. Der Grund dafür: Deutschland hat über Jahrzehnte in fast allen Bereichen der Energietechnik eine hervorragende Expertise aufgebaut – von Kohle-, Öl-, Erdgas- und Kernkraftwerken bis zu Wind- und Solarenergie. Genau in dieser Breite werden auch – global betrachtet – die künftigen Kapazitäten der Energiewirtschaft in den großen, schnell wachsenden Schwellenländern aufgebaut. Für die nächste Generation der Entwicklung (sagen wir: die nächsten 30 bis 40 Jahre) wird es entscheidend sein, wie klimafreundlich (und bei der Kernkraft: wie sicher!) dieser Kraftwerkspark sein wird. Es ist deshalb aus globaler Sicht überhaupt nicht rational, wenn Deutschland sich in der Zukunft extrem stark auf regenerative Energieproduktion konzentriert, aus der Kernkraft aussteigt und Verbesserungen in der Technik der Kohlekraftwerke vernachlässigt. Denn gerade diese Technik wird in der Entwicklung der (kohlereichen) Giganten China und Indien voraussehbar eine große Rolle spielen.
    Dahinter steht eine Art Gesetzmäßigkeit, die sich mit etwas Mut zur Abstraktion aus der Wirtschafts- und Technikgeschichte ableiten lässt. Sie lautet: Ökonomisch nutzbare Technologien entwickeln sich kontinuierlich, evolutionär und mit durchaus starker räumlicher Konzentration. 114 Sie sind, im Jargon der Ökonomen gesprochen, pfadabhängig. Es erscheint deshalb wirtschaftlich außerordentlich vernünftig, die Entwicklung nicht dramatischen Brüchen und Umlenkungen auszusetzen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass die einmal vorhandene Expertise vollständig abstirbt, sobald sie einen gewissen Schwellenwert unterschreitet. Die Erfahrung der ehemals planwirtschaftlichen Länder Europas vor dem Fall des Eisernen Vorhangs Ende der 1980er-Jahre ist ein gutes, wenn auch extremes Beispiel dafür. Jedenfalls war das Ergebnis, dass es bis heute nirgends in Mitteleuropa (und auch nicht in Ostdeutschland) gelungen ist, an die alte wirtschaftliche Stärke kapitalistischer Vorkriegszeiten anzuknüpfen. 115 Insofern steht auch eine sehr stark lenkende Energiepolitik in der Gefahr, über lange Zeit gewachsene Stärken der Innovationskraft auszuhöhlen und dafür zwar neue, aber hoch spezialisierte zu schaffen.
    Mit Blick auf die Klimaziele ließe sich eine solche Politik eigentlich nur rechtfertigen, wenn sie mit dem Willen und dem Ziel erfolgt, dass andere Industrieländer ihr eben nicht folgen. Dann nämlich mag man sie interpretieren als eine Art optimales internationales Spezialisierungsmuster, in dem jedes einzelne Industrieland sich auf den Transfer jener Technologie konzentriert, die es aufgrund seiner Expertise besonders gut beherrscht, sagen wir: Frankreich auf die Kernenergie, Deutschland auf erneuerbare Energien, Großbritannien vielleicht auf die Kohle. Tatsächlich könnte dies das Endergebnis einer Entwicklung sein, die gerade nicht eine uniforme europäische Energiepolitik hervorbringt, sondern ein durch den Weltmarkt bestimmtes differenziertes Bild. Allerdings würde sich auch dann die Frage stellen, ob die politische Entscheidung wirklich die ökonomischen und technologischen Realitäten widerspiegelt. Zumindest heute ist keineswegs klar, dass Deutschland im Bereich der Nuklear- und Kohlekraftwerkstechnologie hinter Frankreich beziehungsweise Großbritannien zurückhängt. Sollte dies irgendwann in der Zukunft der Fall sein, so ist es dann die Konsequenz politischer

Weitere Kostenlose Bücher