Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
relativ leicht zu korrigieren ist. 117
Zurück zur Energiewende. Auch sie setzt massive Anreize zum Einsatz der (knappen) Innovationskraft. Man kann sogar sagen: Genau darin liegt ihr eigentlicher Zweck. Anders als die Planwirtschaft lässt sie im Grundsatz die Funktionsweise des Preissystems intakt. Sie führt aber durch Einsatz weitreichender Lenkungsinstrumente die Forschung und die Kapitalbildung in eine wohldefinierte Richtung, die der Staat vorgibt. Implizite Annahme ist dabei, dass der Staat eindeutig besser weiß, wie die wahren Werte der globalen Ressourcen aussehen, die Eingang in die wirtschaftlichen Rechnungen finden. Dies gilt insbesondere für ihren Wert in der fernen Zukunft, also jenem Zeithorizont, in den normalerweise privatwirtschaftliche Kostenkalküle überhaupt nicht vordringen. Tatsächlich ist ja die Energiewende letztlich motiviert durch eine implizite, überaus langfristige Abschätzung dessen, was die heutige Aktivität der Wirtschaft an morgigem Nutzen und Schaden hinterlässt. Der Staat agiert als eine Art Treuhänder des Gesellschaftsvermögens: Er verwaltet das Erbe der Zukunft und stellt die Weichen heute, um die Welt morgen zu optimieren, und zwar ethisch und ökonomisch.
So weit, so richtig und nachvollziehbar. Die zentralen Fragen sind allerdings: Woher nimmt der Staat sein Wissen? Wie zuverlässig ist dieses Wissen? Und wie weit darf der Staat in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft in der Lenkung des Verhaltens der Menschen gehen? Was die Quelle des Wissens betrifft, herrscht heutzutage Einigkeit: Die einzige akzeptable Quelle ist die Wissenschaft, also jene Gemeinschaft von Forschern, die nach professionell anerkannten Methoden der Wahrheitssuche vorgehen und ihre Ergebnisse offen zur Diskussion stellen. Damit ist aber schon von vornherein klar, dass es in vielen relevanten Fragen – mangels Einigkeit der Wissenschaftler – keine sicheren Erkenntnisse geben wird. Dies gilt generell, aber es gilt vor allem für Fragen der Industrie- und Technologiepolitik, denn diese betreffen ja selbst Veränderungen von Technik und Lebensbedingungen in der Zukunft, die wir nicht genau kennen; und es gilt a fortiori für Fragen der langfristigen Wirtschaftsentwicklung und des Klimawandels über sehr lange Zeiträume von ein, zwei, drei oder noch mehr Generationen.
Umso dringlicher ist deshalb die Frage des Grades an Verlässlichkeit der Forschungsergebnisse. In dieser Hinsicht hat die Klimaforschung, wie sie durch das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) repräsentiert wird, bisher einen überaus hohen Grad für sich beansprucht. Dies gilt zumindest für ihre zentralen Aussagen, was die Veränderung der globalen Durchschnittstemperaturen und deren Konsequenzen betrifft. 118 Dieser Anspruch gerät indes zunehmend in die Kritik, und zwar vor allem aus zwei Richtungen. Zum einen sorgen neuere Forschungen von Astrophysikern für Zweifel, dass der Anteil der anthropogenen Einflüsse auf das Weltklima so stark ist, wie das IPCC bisher angenommen hat; sie deuten eher darauf hin, dass der Temperaturtrend aufgrund einer bevorstehenden Abschwächung der Sonneneinstrahlung in den kommenden Jahrzehnten nach unten zeigt und damit den anthropogen verursachten Erwärmungseffekt voll oder sogar überkompensiert. 119 Zum anderen gibt es Klimaforscher, die den globalen Temperaturtrend für eine wenig bedeutende Größe halten, was die Veränderung der Lebensbedingungen in größeren Lebensräumen der Menschen betrifft; für viel wichtiger halten sie regionale Veränderungen, die bisher wenig erforscht sind und weitgehend unabhängig vom globalen Trend ausfallen. 120 Weitere Ansätze der Kritik konzentrieren sich auf die Qualität der Klimasimulationsmodelle, die den Aussagen des IPCC zugrunde liegen.
Diese Kontroversen sind, wenn überhaupt, nur von Spezialisten zu entscheiden. Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass in dieser Hinsicht in den nächsten Jahren ein wissenschaftlicher Konsens entsteht. Die Diskussion der letzten Jahre hat eher das Gegenteil indiziert: Je mehr geforscht wird, umso größere Fragezeichen tauchen auf. Dies kann eigentlich nicht überraschen, spiegelt es doch ein Phänomen wider, das sich in vielen Bereichen der Wissenschaft abzeichnet. Allerdings sind die Ergebnisse der meisten Forschungsfelder – anders als bei der Klimaforschung – eben nicht von so großer politischer Bedeutung, dass dies in der Öffentlichkeit sonderlich auffallen oder stören
Weitere Kostenlose Bücher