Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
sagen, wir kämpften wie um unser Leben. Kopftreffer, Körpertreffer, Leberhaken, die uns die Luft zum Atmen nahmen, dazu der stechende Schmerz in der Oberschenkelmuskulatur nach vielen hartenTritten. Ein intensiver Kampf, der uns beide bis an die Grenzen führte und dessen glücklicheres Ende ich feiern durfte: Punktsieger Hück!
Als alles vorbei war, gingen der Franzose und ich gemeinsam in die Umkleidekabine. Kein böses Wort, kein wilder Blick mehr, wir lächelten beide, auch wenn es weh tat. In der Kabine sprachen wir über Gott und die Welt, wir reflektierten unsere Schläge von eben und wechselten die Themen, wie sie uns in den Sinn kamen. Es war die Achtung vor dem Gegner, der Respekt vor seiner Leistung, die gebotene Fairness in dieser knallharten Sportart, die uns in diesem Moment fast zu Freunden werden ließ. Die vielen positiven Erlebnisse, die ich mit meinem Sport verbinde, haben mich später auch veranlasst, meine Söhne zum Thaiboxen zu bringen. Ich wollte nicht, dass sie das Schlagen und Prügeln auf der Straße lernen. Sie sollten die hohen moralischen und ethischen Werte des Sports mit all seinen Regeln kennenlernen und ich halte das Thaiboxen auch heute noch für sehr geeignet. Moral und Anstand lernst du nicht nur in der Kirche!
Mit den zunehmenden Erfolgen gegen immer stärkere Gegner konnte ich ambitioniertere Ziele definieren. Zuerst brauchte ich ein professionelleres Umfeld, das es mir gestattete, mich mehr auf den Sport zu konzentrieren. Ich fand einen Manager, einen dieser windigen Typen, die sich zu Dutzenden in der Szene tummelten. Er schloss Kämpfe für mich ab und kümmerte sich vor allem darum, dass ich immer bessere Gegner bekam. Ich brauchte Geld und wollte Titel – die sehr einfache Formel meines Erfolgs als Thaiboxer – und dieser Manager sollte meine Karriere in die richtigen Bahnen lenken. Ich wurde Profi und wie so oft, wenn ich von einer Sache zu 100 Prozent überzeugt war, verlief die Entwicklung rasend. Schnell gewann ich meinen erstenKampf um die Europameisterschaft. Die Dinge entwickelten sich positiv und ich hatte allen Grund, zufrieden zu sein. Die anderen Pforzheimer Boxer suchten meine Nähe, ich wurde populärer und mein Glaube an die perfekte Karriere war unerschütterlich. Nur meine Hoffnung, vom Boxen alleine leben zu können, erfüllte sich nicht ganz so schnell. Die Eingänge auf meinem Konto blieben deutlich hinter meinen Erwartungen zurück, obwohl ich Tag und Nacht für meinen Sport arbeitete. 2500 DM pro Kampf waren sicherlich gutes Geld, aber wie oft konnte man denn schon in den Ring in meiner Gewichtsklasse? Je höher ich eingestuft wurde, desto härter wurden die Treffer. Je härter die Schläge, desto länger die Erholungsphasen. Ich kämpfte und kämpfte, ich investierte mehr als je zuvor, doch irgendwie reichte es nie.
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Uwe Hück beim Thaiboxen
Ich kam dahinter, dass mein Manager mich betrog. Während er pro Kampf bis zu 20 000 DM einnahm, gab er mit gerade 12 Prozent der Einnahmen ab. Ich wusste aus Erzählungen, dass diese ausbeuterischen Geschäftspraktikendurchaus normal waren in diesem Geschäft, dass aber mein Freund – und dafür hielt ich ihn damals tatsächlich – mich derart betrog, verursachte bei mir fast die Wirkung eines Leberhakens. Nachdem ich meine zweite Europameisterschaft gewonnen hatte, schmiss ich ihn raus. 2 500 DM für eine erfolgreiche Titelverteidigung empfand ich als schlechten Witz und ich musste doch von etwas leben. Wohnung, Essen, Sportausrüstung – ich brauchte Geld! Damals war ich mit dem Boxer Markus Bott befreundet und vielleicht hätte ich in dieser Szene einen besseren Manager gefunden, aber irgendein Instinkt sagte mir, dass es besser sei, auf Distanz zu bleiben. Auch wenn mir klar war, dass ich mich finanziell nicht lange halten würde.
Ich brauchte Geld, wenn die Weltmeisterschaft in Thailand, von der ich nicht nur heimlich träumte, nicht ein ewiges Ziel bleiben sollte. In der Zeitung fand ich eine Annonce: »Lackierer gesucht« – Porsche und Zuffenhausen stand darunter. Schon sah ich mich in der lukrativen Nachtschicht, ein paar Monate schuften und Geld verdienen, dann ab nach Thailand, Weltmeister werden. Mein Bewerbungsschreiben aber kam bald zurück. »Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Sie für diese Tätigkeit nicht ausreichend qualifiziert sind« – der zentrale Satz dieser Ablehnung löste Empörung bei mir aus und das ist noch sehr dezent ausgedrückt. Ich war
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