Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
Mitarbeiter reduziert und hinter jeder Entlassung verbarg sich ein menschliches Schicksal. Ich erinnere mich an einen jungen Kollegen, der zu mir kam und einfach fragte: »Uwe, warum hast du das zugelassen?« Die meisten älteren Kollegen genossen nach den Sozialplänen Kündigungsschutz, also wurden die Jüngeren entlassen! »Was soll ich jetzt machen?«, fragte mich ein anderer Kollege. »Mein Mädchen bekommt ein Kind und ihr schmeißt mich raus!« In diesen Momenten fühlte ich mich hilflos, denn ich hatte keine Erklärungen. Eine ganze Generation von Porscheanern wurde auf die Straße gesetzt. So entstand eine Lücke in der Altersstruktur, die bis heute nicht geschlossen ist. Wir haben immer noch eine überalterte Belegschaft, die wir seit letztem Jahr durch ein Demografie-Projekt verjüngen, 20 Jahre danach. Diese bittere Zeit 1992 hat tiefe Spuren bei mir hinterlassen. Ich war damals noch zu unerfahren, um die drohenden Gefahren bei Porsche früher zu bemerken. Mein Hauptaugenmerk lag noch zu sehr auf dem Tagesgeschäft. Ich musste lernen, die Probleme bei Porsche vorausschauender, in längeren Zeitabschnitten zu begreifen. Es war aber auch eine lehrreiche Zeit, denn ich wusste jetzt, wo ich hingehörte bei Porsche. Ich wurde radikaler in meinen Ansichten und in meinem Handeln. Ihr da oben, wir hier unten: Die Fronten erschienen mir immer klarer und ich verinnerlichte diese Gegensätze. Tagsüber musste ich zu »denen da oben« ins Schloss, um zu verhandeln. Am Abend aber wollte ich zurück zu meinen Leuten ins Zelt, hier fühlte ich mich sicherer. Das Bild von oben und unten hatte ich oft vor Augen in dieser Zeit, ich muss allerdings auch zugeben, dass es mehrere Wahrheiten gab damals. Auch wenn ich es nicht glauben mochte: Die Prozessveränderungen mit einer Steigerungvon Flexibilität und Produktivität haben unser Überleben gesichert. Wenn wir damals diese Einschnitte nicht durchgezogen hätten, würden wir heute ein einziges großes Museum haben in Zuffenhausen. Porsche wäre tot.
Bei einer meiner ersten Kampf handlungen habe ich Ferry Porsche persönlich kennengelernt, wenn auch eher zufällig. Es war die Zeit nach den ersten fundamentalen Einschnitten und jetzt, 1993, drohten weitere Kürzungen. Eine der Rettungsmaßnahmen von Dr. Wiedeking sollte die Streichung des Weihnachtsgeldes sein. Es hatte sich schnell im Werk herumgesprochen und sofort herrschte große Empörung ob dieser Pläne. Viele Beschäftigte waren angewiesen auf diese Sonderzahlung. Ausländische Kollegen wollten davon die Flüge in ihre Heimat bezahlen, andere mussten Geschenke kaufen. Der Weihnachtsfriede war in Gefahr, das bevorstehende Fest machte die Menschen sensibler für mögliche Krisen und genau auf diese Karte setzte ich. Ich erinnere mich, dass wir alle ins Werk 1 gegangen sind, um zu demonstrieren. Es war laut und die Stimmung hochgradig gereizt. Wir zeigten uns fest entschlossen, zu kämpfen. Ich muss wohl am lautesten geschrien haben, als Ferry Porsche den Werkshof betrat. Zielstrebig kam er auf mich zu. Da stand dieser ältere Herr mir zum ersten Mal gegenüber, er grüßte mich mit seinem Hut und fragte mich: »Mein Bub, was machst du denn da?« Er nannte mich wirklich seinen Bub! »Der Wiedeking will uns das Weihnachtsgeld wegnehmen, das können wir nicht zulassen«, ließ ich ihn wissen. »Aber mein Bub«, sagte er wieder und ließ damit eine kleine Vertrautheit entstehen, »wenn du hier draußen stehst, dann kannst du ja keinen Porsche bauen«. Voller Selbstbewusstsein gab ich ihm recht: »Genau so ist es!« Ferry Porsche war ein kluger Mensch und hatte die Situation schnell begriffen.Diese Belegschaft würde streiken und nicht nur eine Stunde lang. »Mein Bub, wenn ich dir verspreche, dass ihr das Weihnachtsgeld bekommt, würdest du dann mit deinen Leuten wieder an die Arbeit zurückgehen?« Der Vorschlag kam unerwartet, aber ich hatte keinen Grund, an der Ehrlichkeit des Mannes zu zweifeln. »Natürlich«, sagte ich und spürte das schöne Gefühl eines kleinen Sieges auf kommen. Wie um die gerade gemachte Vereinbarung zu besiegeln, drückte mir Ferry Porsche die Hand. Es war mein erstes Geschäft mit ihm und es war ein gutes. Drei Tage später hatten wir unser Weihnachtsgeld, die Belegschaft strahlte und ging gestärkt aus diesem ebenso kurzen wie intensiven Arbeitskampf hervor. Ferry Porsche galt als beliebter Arbeitgeber, nicht erst seit dieser Aktion. Ein harter Verhandlungsführer, der aber das Wohl seiner
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