Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
Kontakte zu den heute 10 000 Porscheanern zu meiner Beliebtheit beigetragen haben. Auch die letzten Tage vor Weihnachten nutze ich jedes Jahr zu einem abschließenden Rundgang durch alle Produktionsbereiche und die Verwaltung. Nicht selten erfahre ich dann von Problemen und Nöten, die mir sonst womöglich verborgen bleiben würden. Früher habe ich dies an einem Tag geschafft, heute brauche ich dafür drei bis vier Tage. Ein paar Kilometer Fußweg durch das Werk und ein paar Tausend Dankeschöns: Oft sind es die kleinen Dinge, mit denen du zu einer guten innerbetrieblichen Atmosphäre beiträgst.
2002 stieg ich zum Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats auf, ein Jahr später initiierte ich die Bildung eines Konzernbetriebsrats, dessen Führung ich ebenfalls übernahm. Mein Aufstieg fiel in eine Zeit, in der Porsche wieder auf Touren kam. Wir konnten uns Bonuszahlungen leisten in diesen Jahren, 2 700 Euro für jeden Mitarbeiter, der vor 2001 angestellt wurde. Die Stimmung war prächtig, auch unseren Auszubildenden blieben immerhin noch 520 Euro und das in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, 2003 und 2004. Porsche schrieb Rekordzahlen in den USA, wir feierten einen Zulassungsrekord in Deutschland, die Dividenden stiegen und wir hatten ausreichend Liquidität. Der internationale Automobilmarktstagnierte noch, da war Porsche obenauf und ich mittendrin. 2007 stieg ich zum stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Porsche Automobil Holding SE auf. Jetzt war ich ganz oben. Von einer Tellerwäscher-Karriere schrieben die Zeitungen damals, wie immer, wenn es einer geschafft hatte, sich von ganz unten hochzuarbeiten. Auch wenn es ein oft benutztes Klischee ist: Mit diesem Vergleich vom Tellerwäscher kann ich gut leben, denn er lässt mich nie vergessen, wo ich herkomme. Heim, Lehre, Porsche: Ich war ganz oben angekommen und wenn ich heute auf meinen Aufstieg zurückblicke, kommen mir immer wieder die kleinen Zufälle in Erinnerung, denen ich fast schicksalshaft so viel verdanke in meinem Leben. 22 Jahre zuvor hatte mich der Sachbearbeiter in der Personalabteilung abwimmeln wollen, jetzt verkehrte ich in höchsten Politiker- und Wirtschaftskreisen. Und wenn es den Meister, der sich damals in der Lackiererei so unmöglich aufgeführt hat, nicht gegeben hätte, wäre ich heute vielleicht irgendwo in Thailand und würde von meinem Ruhm als Weltmeister zehren.
Kapitel 5
Auf dem Haidach
[Bild vergrößern]
In all den Jahren meines Aufstiegs wollte ich nicht vergessen, wo ich herkam. Auch wenn ich jetzt berühmte Persönlichkeiten zu meinem Freundeskreis zählen durfte und ein Dauergast in den meisten Talkshows war, ich wollte meine Glaubwürdigkeit bewahren, ich wollte echt bleiben. Ich habe auch nie versucht, meinen schwäbischen Dialekt zu verbergen, wenn ich mit den Burdas und Stoibers in den Fernsehstudios hitzige Debatten führte. Im Gegenteil, es gab Situationen, in denen ich bewusst meine Mundart gewählt habe, um mir mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Laute schwäbische Entschlossenheit: So habe ich den Chef der Deutschen Telekom, Ron Sommer, bei Sabine Christiansen einmal zum Schweigen gebracht. »Nicht die Menschen brauchen eine Gesundheitsreform, sondern die Börsen«, rief ich in breitem Schwäbisch und er hat mich verstanden. Ohne den Begriff Heimat zu strapazieren: Ich wollte nie woanders leben als in Mühlacker, dieser 25 000-Einwohnerstadt an der Enz. Auch Pforzheim, nur ein paar Autominuten entfernt, bin ich immer treu geblieben. Sicherlich hätten wir damals nach Stuttgart ziehen können, um meinem Arbeitsplatz näher zu sein. Ich hätte mir die vielen Stunden im Stau auf der B 10 erspart. Meiner Frau aber ist die Nähe zu ihrer Familie wichtig, nach wie vor hilft sie im Restaurant und ich freue mich jeden Abend, wenn ich aus Zuffenhausen nach Mühlacker zurückkomme. Es gibt noch so viel zu erledigen in meiner Heimat und ich habe noch so viel zurückzugeben von meinem Erfolg. In Pforzheim war ich bekannt. Die vielen Boxkämpfe dort, die regelmäßigen Berichte in den Zeitungen und später mein Aufstieg bei Porsche haben mich zu einer der bekannteren Persönlichkeiten werden lassen.
Über die Attraktivität Pforzheims können wir streiten, auf jeden Fall aber gibt es hier ein paar Fleckchen, die wirunseren Gästen besser nicht zeigen. Bausünden, unübersehbar, wie überall in diesem Land. Mitte der siebziger Jahre, als auf wenig Baugrund viel Wohnraum entstehen musste, blieb auch Pforzheim nicht
Weitere Kostenlose Bücher