Volle Kanne
gestreift, der an ihnen vorbeischoss. Stanton riss das Lenkrad nach rechts und fuhr einige Sekunden auf dem Seitenstreifen, bis es ihm gelang, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen. Der Friseur drehte sich auf dem Beifahrersitz nach vorn, schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte sich.
»Verdammt, was ist los mit dir?«, brüllte Carl Lee. »Willst du uns umbringen?«
»Loopy«, stieß der Friseur hervor. »Er ist mausetot.«
»Bist du sicher?« Carl Lee warf einen Blick über die Schulter. »Hast du ihm den Puls gefühlt?«
»Das ist nicht nötig, Mann. Er ist bereits steif wie ein Brett.« Die Stimme des Friseurs drang nur gedämpft durch seine Finger. »Seine Augen sind offen, Carl Lee. Er starrt mich an.«
»Das hat mir gerade noch gefehlt«, murmelte Carl Lee. »Ein toter Clown auf dem Rücksitz.«
»Ich kann nicht in einem Wagen sitzen, in dem eine Leiche liegt. Auf keinen Fall kann ich …«
»Halt‘s Maul!«, schnitt Carl Lee ihm das Wort ab. »Einen Typen, der ausflippt, kann ich jetzt am wenigsten gebrauchen!«
»Du verstehst das nicht. Ich habe eine ernstzunehmende Phobie! Manche Leute haben Höhenangst, Angst vor Aufzügen oder Schlangen, aber ich gerate beim Anblick von Leichen in Panik.«
»Dann schau nicht hin.«
Cook brabbelte weiter. »Ich bin in den Bergen aufgewachsen. Als ein Familienangehöriger starb, legte ihn der Bestattungsunternehmer in einen Sarg und brachte ihn zu uns ins Haus. Dort blieb er drei Tage lang. Und ich musste die ganze Zeit danebensitzen! Jemand musste in der Nacht bei dem Toten wachen – und ich war damals erst fünf Jahre alt!«
»Wenn wir in Beaumont angekommen sind, besorgen wir dir einen Termin bei einem Seelenklempner.« Carl Lee stellte das Radio an. Er suchte nach einem Sender mit Country-Musik, drehte aber dann lauter, als er einen Nachrichtensender entdeckt hatte. »Sei still, ich will hören, ob sie etwas über uns bringen.«
»Und als meine Großmutter starb, war der Boden so hartgefroren, dass sie erst beerdigt werden konnte, als es taute. Mein alter Herr hat sie in einen Schrottwagen auf unserem Hof gelegt und eine Decke darübergelegt. Ich habe heute noch Albträume.« Er rieb sich die Stirn. »Du musst mich sofort aussteigen lassen, Mann.«
Ohne Vorwarnung versetzte Carl Lee ihm mit der flachen Hand einen Schlag ins Gesicht.
Cook wich zurück. »Warum hast du das getan?«, fragte er empört. »Meine Nase blutet! Und mein gutes Westernhemd ist voll Blut!« Er hob ein schmutziges Taschentuch vom Boden auf, schüttelte es aus und presste es an seine Nase. »Wenn ich in diesem Wagen weiterfahren muss, während mich ein Toter vom Rücksitz aus anstarrt, bin ich aus dieser Sache raus. Halt an, und lass mich aussteigen!«
Carl Lee griff unter seinen Sitz, zog eine Pistole hervor und hielt Cook die Waffe an den Kopf, nachdem er ihm einen raschen Blick zugeworfen hatte. Cook erstarrte. Carl Lee lauschte dem Nachrichtensprecher, der gerade Carl Lees Verbrechen aufzählte und eine Beschreibung von ihm durchgab. In einiger Entfernung vor ihnen stand ein Streifenwagen am Straßenrand. Carl Lee überprüfte seine Geschwindigkeit, ließ seine Waffe sinken und stieß sie Cook in die Rippen. Als er an dem Streifenwagen vorbeigefahren war, schaute er mehrmals in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, dass sie nicht verfolgt wurden.
»Jetzt hör mir mal gut zu«, wandte er sich dann an Cook. »Ich werde auf keinen Fall bei Tageslicht eine Leiche irgendwo ablegen, hast du das verstanden? Bis wir die andere Seite von Shreveport erreicht haben, wird es dunkel sein. Dann werden wir uns einen Platz suchen, um sie loszuwerden.«
Cook schluckte so heftig, dass sein Adamsapfel einige Male auf und ab hüpfte. »Ganz wie du meinst, Carl Lee«, sagte er, den Blick auf den Lauf der Waffe gerichtet. »Ich kann kaum erwarten, dass es dunkel wird.«
»Und damit du es weißt …« Carl Lee sah ihn an. »Ich werde zwei Leichen ebenso leicht los wie eine.«
Butterbohne war damit beschäftigt, eine Frühstücksflockenschachtel zu zerkauen, die sie aus dem Altpapier gezogen hatte. »Oje!«, rief Maggie. »Ich habe vergessen, die Papiertonne wegzustellen, aber so hat sie wenigstens eine kleine Zwischenmahlzeit gefunden.« Die Ziege ließ sich durch ihr Erscheinen nicht bei ihrem Abendessen stören, sondern kaute ungerührt weiter.
»Sie ist so klein«, bemerkte Mel.
»Ich glaube, Zwergziegen werden nicht größer«, meinte Zack. »Ich habe einen Artikel darüber
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