Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
dem Stift allein.
Risa liest, den Stift in der Hand, das Dokument zum vierten Mal durch. Eine Seite, angefüllt mit unverständlicher Juristensprache. Das Kleingedruckte kann sie sich sparen, denn es ist ziemlich klar, was darin steht. Mit ihrer Unterschrift erklärt sie sich einverstanden, dass ihr verletztes Rückgrat durch ein gesundes ersetzt wird, geerntet von einem anonymen Wandler.
Wie oft hat sie sich überlegt, wie es wäre, wieder gehen zu können? Wie oft hat sie diesen Moment im Happy Jack Ernte-Camp, als das Dach in sich zusammenstürzte und ihr Rückgrat brach, im Geist noch einmal erlebt? Wie oft hat sie sich gewünscht, dass sie diesen Moment einfach auslöschen könnte?
Doch der Preis für eine neue Wirbelsäule war ihre Seele. Ihr Gewissen konnte das nicht zulassen, damals nicht und auch später nicht. Dachte sie jedenfalls.
Wenn sie ihre Unterschrift verweigert, bezieht sie persönlich Stellung gegen eine Welt, die auf Abwege geraten ist. Aber niemand wird das je erfahren, und ihre Geste wird zur Folge haben, dass Hunderte ihrer Freundinnen und Freunde umgewandelt werden.
Roberta behauptet, Risa habe die Wahl, aber was für eine Wahl hat sie denn? Sie nimmt den Stift fest in die Hand, atmet tief ein und setzt ihren Namen unter das Dokument.
51.
Cam
Roberta ist überglücklich über die Reaktionen auf den Auftritt bei Jarvis und Holly. Sie hat bereits Dutzende von Interviewanfragen erhalten.
»Wir können sie uns aussuchen«, erklärt sie Cam an dem Morgen, nachdem er sich das Überwachungsvideo angesehen hat. »Qualität statt Quantität!«
Cam schweigt, doch Roberta ist so mit ihren Plänen beschäftigt, dass sie seine Geistesabwesenheit gar nicht bemerkt.
Du wirst deine Gefühle, welcher Art sie auch sein mögen, überwinden und freundlich zu ihm sein.
Cam geht allein aufs Basketballfeld und lässt seine Enttäuschung am Ball aus. Als das nichts hilft, macht er sich auf die Suche nach dem Anlass für seine Wut. Er sucht das weitläufige Haus nach Risa ab und findet sie schließlich in der Küche, wo sie sich ein Brot schmiert. »Ich habe es so langsam satt, dauernd bedient zu werden«, sagt sie beiläufig. »Es geht doch nichts über ein Erdnussbutterbrot mit Marmelade.« Sie hält es ihm hin. »Willst du? Ich mache mir noch eins.«
Als er es nicht nimmt, sieht sie ihm in die Augen und merkt, dass er völlig von der Rolle ist. »Was ist denn los? Hattest du Streit mit Mami?«
»Ich weiß, warum du hier bist«, bricht es aus ihm heraus. »Ich weiß alles über deinen Handel mit Roberta und über deine Freunde auf dem Friedhof.«
Sie zögert einen Augenblick und beißt dann in ihr Brot. »Du hast deinen Vertrag mit ihr, ich habe meinen«, murmelt sie, den Mund voller Erdnussbutter. Sie will gehen, doch Cam hält sie fest. Schnell entzieht sie sich seinem Griff und stößt ihn gegen die Wand. »Ich habe es akzeptiert!«, schreit sie ihn an. »Dann kannst du es ja wohl auch!«
»Also war das alles nur aufgesetzt? Du warst nett zu dem Monster, um deine Freunde zu retten?«
»Ja!«, faucht Risa. »Zuerst.«
»Und jetzt?«
»Hast du wirklich so eine schlechte Meinung von dir? Glaubst du, dass ich so gut schauspielern kann?«
»Dann beweise es!«, fordert er. »Beweise, dass du etwas anderes als Verachtung für mich übrig hast!«
»Im Moment nicht!« Sie stürmt aus der Küche, wobei sie im Vorbeigehen wütend ihr Brot in den Mülleimer pfeffert.
Fünf Minuten später klaut Cam einem unaufmerksamen Wachmann eine Chipkarte und geht damit durch die Sicherheitstür hinaus in die Garage. Dort schnappt er sich ein Motorrad und braust über die kurvenreiche Zufahrt davon.
Er hat kein Ziel, sondern nur das brennende Verlangen nach Geschwindigkeit. In seinem Kopf muss mindestens ein Tempofanatiker sein und das Motorradfahren ist auch in ihm angelegt. Obwohl er seinem selbstzerstörerischen Impuls folgt und mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Kurven rast, schafft er es in die Stadt Kualapuu. Doch dann nimmt er eine Biegung zu schnell, rutscht weg, stürzt und wird über den Gehweg geschleudert.
Er ist verletzt, aber am Leben. Autofahrer halten an, um ihm zu helfen, aber er will ihre Hilfe nicht. Als er aufsteht, spürt er einen brennenden Schmerz im Knie. Sein Rücken ist aufgeschrammt, und das Blut, das unter dem Haaransatz hervorsickert, macht ihn fast blind.
»Hey, Kumpel, alles in Ordnung?«, brüllt ein Tourist. Dann hält er inne. »Hey! Hey, du bist es! Du bist dieser
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