Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
nicht wissen willst.«
»Die aber so wichtig sind, dass du sie mir nicht sagen kannst.«
»Genau.«
Risa seufzt. Es wird schon heiß, und sie ist nicht gerade wild darauf, ihren Rollstuhl in der Hitze den weiten Weg zum Sanitätsflieger zu rollen. Sie hat keinen Nerv für Connors rätselhafte Andeutungen. Gerade will sie ihm vorschlagen, er solle doch wiederkommen, wenn er etwas zu sagen hat, da erhebt sich unter den fernsehschauenden Kids hinter ihr ein lautes Gemurmel. Sie und Connor drehen sich unwillkürlich um.
Es läuft ein Interview mit einer Frau, die ein sehr ernstes Gesicht macht und noch ernster spricht. Da Risa den Anfang verpasst hat, versteht sie nur Bahnhof.
»Ist das zu glauben?«, empört sich ein Mädchen. »Die nennen dieses Ding eine neue Lebensform!«
»Was nennen die eine neue Lebensform?«, fragt Connor.
Hayden, der auch da ist, wendet sich zu den beiden um. Er sieht fast aus, als wäre ihm übel. »Die haben endlich das perfekte Wesen gebaut. Den ersten Verbundmenschen.«
Es gibt keine Bilder dazu, aber die Frau beschreibt die Vorgehensweise: Man setzt den Typ aus lauter kleinen Stücken zusammen, die von hundert verschiedenen Wandlern stammen. Risa läuft ein kalter Schauer über den Rücken, so weit, wie sie es spüren kann. Connor geht es offenbar genauso, denn er legt ihr die Hand auf die Schulter. Ohne darauf zu achten, welche Hand es ist, legt sie ihre darüber.
»Warum machen die so was?«, fragt sie.
»Weil sie es können«, erwidert Connor bitter.
Risa spürt die gedrückte Stimmung, gerade so, als würde sich vor ihren Augen eine globale Katastrophe ereignen.
»Wir müssen den Fluchtplan fertig machen«, murmelt Connor. Risa weiß, dass er das mehr zu sich sagt als zu ihr. »Wir können keinen Probelauf machen, das würden die Spionagesatelliten mitbekommen. Aber jeder muss wissen, was er zu tun hat.«
Risa hat dasselbe Gefühl. Plötzlich spürt sie den Drang, möglichst schnell vom Friedhof zu verschwinden. Auch wenn sie kein sicheres Ziel haben.
»Verbundmensch …«, knurrt jemand. »Wie das Ding wohl aussieht?«
»Hey, du kennst doch den Schwammkopf, oder?«
Nervöses Gelächter wird laut, aber es hebt die Stimmung nicht.
»Egal, wie es aussieht«, sagt Risa. »Ich hoffe, wir bekommen es nie zu Gesicht.«
17.
Cam
Mit dem Finger fährt er die Konturen seines Gesichts nach, seitlich an der Nase hinunter bis zur Wange. Erst links, dann rechts. Dann die symmetrisch verlaufenden Linien zwischen den verschiedenen Hauttönen auf der Stirn entlang und weiter über den Haaransatz. Er stippt die Fingerspitze erneut in die Heilsalbe für Transplantate und cremt die Nähte ein, die sich über den Nacken ziehen, die Schultern, die Brust und jede andere Stelle, an die er herankommt. Er spürt das Kribbeln, das entsteht, wenn die künstlich hergestellten Mikroorganismen in der Salbe ihre Arbeit aufnehmen.
»Ob du es glaubst oder nicht, die sind mit den Tierchen im Joghurt verwandt«, hat ihm der Hautarzt erklärt. »Nur, dass sie Narbengewebe auffressen.« Die Dose kostet 5000 Dollar, aber Roberta hat ihm gesagt, Geld spiele keine Rolle. Man hat ihm versichert, dass nach Abschluss der Behandlung keine Narben zurückbleiben, sondern nur noch feinste Übergänge zwischen den einzelnen Teilen zu sehen sind.
Das Ritual des Eincremens dauert eine halbe Stunde, zweimal täglich, und mittlerweile weiß Cam die meditative Tätigkeit zu schätzen. Er wünschte nur, es gäbe etwas, das die Narben in seinem Gehirn, die er noch spürt, schneller heilen ließe. Er stellt sich vor, dass in seinem Geist lauter kleine Inseln treiben, zwischen denen er erst Brücken bauen muss, und obwohl er schon spektakuläre Bauwerke konstruiert hat, wird er einige der kleineren Inseln womöglich nie betreten.
Es klopft an der Tür. »Bist du fertig?«, fragt Roberta.
»Zügel fest in der Hand«, sagt er.
Eine Pause und dann: »Sehr witzig. Immer langsam mit den jungen Pferden!«
Cam lacht. Er braucht nicht mehr in Metaphern zu reden, denn er hat schon viele Verbindungen hergestellt, die ein wenig Normalität in seine Sprache bringen. Doch es macht ihm Spaß, Roberta zu necken.
Er zieht ein maßgeschneidertes Hemd an und nimmt eine Krawatte zur Hand. Die gedeckten Farben und das kühne geometrische Muster darauf sind so ausgewählt, dass sie eine ästhetische Aussage vermitteln – die unterschwellige Andeutung, dass das künstlerische Ganze immer größer ist als die Summe der einzelnen
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