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Vollendet - Der Aufstand (German Edition)

Vollendet - Der Aufstand (German Edition)

Titel: Vollendet - Der Aufstand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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umfangreichsten Organbanken im ganzen Bundesstaat. Er hat eine Bauchspeicheldrüse, Leber und Milz und ein längeres Stück Dünndarm erhalten. Die Lunge war durchbohrt, und statt sie heilen zu lassen, haben deine Eltern entschieden, auch sie zu ersetzen.«
    »Meine Eltern? Sind sie hier?«
    »Ja«, sagt die Krankenschwester. »Sie sitzen im Wartezimmer. Soll ich sie holen?«
    »Wissen sie denn, dass ich hier bin?«, fragt Lev.
    »Ja.«
    »Haben sie nach mir gefragt?«
    Sie zögert. »Tut mir leid, Süßer, nein.«
    Lev wendet den Blick ab, weiß aber nicht, wo er hinschauen soll. Nicht mal der Fernseher in seinem Krankenzimmer ist angeschlossen, weil so viel über die Explosion berichtet wird. »Dann will ich sie auch nicht sehen.«
    Die Krankenschwester tätschelt ihm die Hand und lächelt ihn bedauernd an. »Tut mir leid, dass so viel böses Blut zwischen euch ist, Süßer. Schlimm, dass dir das alles passieren musste.«
    Er fragt sich, ob sie die ganze Geschichte kennt – wahrscheinlich schon. »Ich hätte wissen müssen, dass sie hinter mir her sind. Die Klatscher, meine ich.«
    Die Krankenschwester seufzt. »Wenn man sich erst mal mit schlechten Menschen eingelassen hat, kommt man da nicht so leicht wieder raus.«
    »Und was passiert jetzt?«, fragt er.
    »Tja, wie ich höre, ist dein Bruder dein gesetzlicher Vormund. Gibt es sonst noch jemanden, der dir helfen könnte? Jemand, zu dem du gehen kannst?«
    Lev schüttelt den Kopf. Pastor Dan war außer Marcus der einzige andere Mensch, auf den er sich verlassen konnte. Der Gedanke an Dan versetzt ihm einen schmerzhaften Stich. »Ich stand unter Hausarrest. Auch wenn ich jemanden hätte, könnte ich nur mit Erlaubnis der Jugendbehörde zu ihm.«
    Die Krankenschwester steht auf. »Tja, da kann ich auch nicht viel ausrichten, Süßer. Am besten ruhst du dich noch ein bisschen aus. Die nächste Nacht bleibst du sowieso noch hier. Morgen früh schauen wir weiter.«
    »Könnten Sie mir sagen, in welchem Zimmer mein Bruder liegt?«
    »Er ist noch auf der Intensivstation«, antwortet sie. »Aber sobald er auf Station kommt, erfährst du es, das verspreche ich dir.« Als sie geht, kommt ein Ermittler, der zum wiederholten Mal dieselben Fragen stellt.

    Die Krankenschwester hält Wort und teilt Lev mit, dass Marcus in Zimmer 408 liegt. Nach Einbruch der Dunkelheit, als die Befragung beendet und es auf den Fluren still ist, verlässt Lev sein Zimmer. Er ignoriert die Schmerzen, die er am ganzen Körper spürt. Im Flur sitzt ein Polizist, der zu seiner Bewachung abgestellt wurde, jedoch mit einer der jüngeren Krankenschwestern flirtet. Lev schleicht sich davon, um Marcus zu besuchen.
    Als er die Tür zu Zimmer 408 öffnet, sieht er als Erstes seine Mutter. Sie sitzt auf einem Stuhl, den Blick fest auf Marcus gerichtet, der bewusstlos ist und am Tropf sowie an einem zischenden Beatmungsgerät angeschlossen ist. Auch sein Vater ist da. Sein Haar ist etwas grauer als vor einem Jahr. Lev spürt Tränen aufsteigen, schluckt sie aber hinunter und mit ihnen sämtliche Gefühle.
    Als seine Mutter Lev bemerkt, stupst sie seinen Vater an. Die beiden wechseln einen vielsagenden Blick, wie viele lang verheiratete Paare es tun. Dann steht seine Mutter auf, geht zu Lev, umarmt ihn steif, ohne ihn anzusehen, und verlässt anschließend den Raum.
    Auch sein Vater sieht ihn nicht an, zunächst wenigstens. Er hat den Blick fest auf Marcus gerichtet, beobachtet, wie sich seine Brust im langsamen, gleichmäßigen Rhythmus der Beatmungsmaschine hebt und senkt.
    »Wie geht es ihm?«, fragt Lev.
    »Er ist im künstlichen Koma. Das bleibt die nächsten drei Tage so, sagen sie, damit die Nanos die Heilung beschleunigen können.«
    Lev hat schon gehört, dass der Schmerz der Nanoheilung unerträglich ist. Für Marcus ist es besser, wenn er das verschläft. Bestimmt haben ihm seine Eltern Organe von Zehntopfern verschafft. Die teuersten. Lev weiß das, ohne fragen zu müssen.
    Schließlich sieht sein Vater ihn an. »Bist du jetzt zufrieden? Bist du zufrieden mit dem, was du angerichtet hast?«
    Lev hat sich dieses Gespräch schon hundertmal ausgemalt. Jedes Mal war Lev derjenige, der seinem Vater Vorwürfe machte, nicht andersherum. Wie kann er es wagen? Wie kann er es wagen? Lev würde ihn am liebsten schlagen, aber er wird den Köder nicht schlucken. Er sagt nichts.
    »Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was du unserer Familie angetan hast?«, klagt sein Vater. »Die Schande? Der

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