Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
für Dienste?«
Sie lächelt ihn freundlich an. »Wir benötigen lediglich deine Anwesenheit, Lev Calder. Deine Anwesenheit und deine einnehmende Persönlichkeit.«
Obwohl er nicht begreift, was an seiner Persönlichkeit einnehmend sein soll, antwortet er: »Klar, warum nicht?« Denn er hat absolut nichts mehr zu verlieren. Er denkt an die Zeit zurück, nachdem er sich von CyFi getrennt hatte und bevor er auf den Friedhof kam. Düstere Tage, sicher. Aber es gab auch lichte Momente, als er in einem Reservat landete und von Glücksmenschen aufgenommen wurde. Sie brachten ihm bei, dass es, wenn man nichts zu verlieren hat, so etwas wie Pech gar nicht mehr gibt. Da fällt ihm etwas ein. Eine Idee, die er schon seit einer Weile mit sich herumträgt, die ihm aber erst heute bewusst geworden ist.
»Nur eins«, sagt Lev.
»Ja?«
»Ich möchte meinen Nachnamen ändern lassen. Können Sie das für mich machen?«
Sie zieht die Augenbrauen hoch. »Natürlich, wenn du das möchtest. Darf ich fragen, welchen Namen du gern hättest?«
»Das ist mir egal«, erwidert er. »Solange ich nicht mehr Calder heiße.«
22.
Stiftung
An einer Straße im Norden von Detroit steht ein Haus, in dem nun offiziell ein gewisser Levi Jedediah Garrity wohnt. Das kleine, aber zweckdienliche Haus ist im Besitz der Cavenaugh-Stiftung, die sich der Unterstützung irregeleiteter Jugendlicher verschrieben hat. Ein Hausdiener kümmert sich um Levs Bedürfnisse und ein Hauslehrer um seine schulische Ausbildung. Die Stiftung hat sogar einen Sicherheitsmann vor der Tür platziert, der unerwünschte Gäste und verdächtige Passanten fernhalten soll. Kein Klatscher kommt auch nur in die Nähe der Haustür.
Für Lev wäre das ein perfektes Arrangement, allerdings wohnt er gar nicht dort. Natürlich meldet der unter der Haut eingepflanzte Chip eben dies, doch ein Chip lässt sich mühelos manipulieren. Der Chip kann nun von jedem Ort, an dem sich Lev angeblich aufhält, ein Signal aussenden.
Niemand weiß, dass er in Wahrheit nach Haus Cavenaugh gebracht wurde, fast sechzig Kilometer entfernt.
Das Landhaus der Familie Cavenaugh ist ein Monstrum von einem Gebäude, das abgelegen auf einem fünfunddreißig Hektar großen Anwesen in der Nähe von Lake Orion, Michigan, steht. Es ist Schloss Versailles nachempfunden und wurde durch Einkünfte aus der amerikanischen Automobilindustrie finanziert, ehe sich diese in ihrer speziellen Spielart des Klatscher-Selbstmords in den Abgrund ritt.
Kaum jemand weiß, dass das Herrenhaus überhaupt noch da ist. Im Grunde ist es das auch fast nicht mehr. Nachdem es viele Jahre lang den Elementen ausgesetzt war, braucht es wohl nur noch ein oder zwei Stürme, bis es vollends zusammenbricht. Im Heartland-Krieg diente Haus Cavenaugh der Armee der Abtreibungsbefürworter als Hauptquartier im Mittleren Westen, bis die Armee der Abtreibungsgegner es einnahm und zu ihrem eigenen Hauptquartier machte. Beide Armeen betrachteten das Haus als ihr Versailles.
Das Anwesen musste ständig neue Angriffe über sich ergehen lassen, bis das Umwandlungsabkommen den Schlachten ein Ende setzte. Es war der schlimmstmögliche Kompromiss, den trotzdem beide Seiten akzeptabel fanden: der Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum Alter von dreizehn Jahren sowie die Möglichkeit, Teenager, deren Leben sich als gewaltiger Fehler herausstellte, umzuwandeln.
Nach dem Krieg bröckelte Haus Cavenaugh viele Jahre lang vor sich hin, weil die Reparatur der Schäden zu teuer, das Ungetüm aber für einen Abriss zu groß war. Dann überließ Charles Cavenaugh junior das Haus einer Stiftung und wusch sich so von dem Makel rein, in neuen Zeiten altes Geld zu besitzen. Die Stiftung gehört einer anderen Stiftung, die ihr Geld in einer weiteren Stiftung wäscht, die wiederum der Anti-Umwandlungs-Front gehört.
23.
Lev
Charles Cavenaugh junior empfängt Lev am Eingang des bröckelnden Herrenhauses persönlich. Er ist gekleidet wie ein Mensch, der zu reich ist, als dass er sich um seine Kleidung Gedanken machen müsste. Obwohl das Vermögen der Familie Cavenaugh schon lange dahin ist, scheint noch genügend Geld da zu sein, dass seine Generation noch ein High-Society-Leben führen kann. Charles Cavenaughs Zugehörigkeit zum Widerstand verrät allein das schüttere Haar. Reiche behelfen sich heutzutage mit anderer Leute Haarpracht.
»Lev, es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen!« Cavenaugh ergreift mit beiden Händen Levs Rechte und schüttelt sie
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