Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
Discobeleuchtung merkwürdig flackert. »Warum tanzt du nicht mit deinem Bild?«, schlägt Miracolina vor. »Ihr beiden passt zueinander.« Dann stürmt sie aus dem Saal. Die Erwachsenen an der Tür wollen sie aufhalten, aber sie läuft ihnen davon.
Als sie weg ist, erhebt sich rund um Lev Gemurmel.
»So eine Loserin«, sagt jemand.
Lev dreht sich wütend zu dem Jungen um. Es ist Timothy, der mit Miracolina angekommen ist. »Das könnte ich über dich genauso sagen«, faucht er ihn an. »Über euch alle.« Dann reißt er sich zusammen. »Nein, das stimmt nicht. Aber du solltest nicht so über sie urteilen.«
»Okay, Lev«, sagt Timothy gehorsam. »Kommt nicht mehr vor, Lev. Tut mir leid, Lev.«
Da tritt ein schüchternes Mädchen auf ihn zu, das offenbar doch nicht so schüchtern ist wie all die anderen schüchternen Mädchen. »Ich tanze mit dir, Lev.«
Also geht er mit ihr auf die Tanzfläche und beglückt sie und jedes andere Mädchen mit einem Tanz, unter dem lästigen Blick seines Bildnisses, das mit heiliger Überlegenheit über sie wacht.
Am nächsten Tag ist das Bild zerstört.
Jemand hat quer über die Leinwand ein unanständiges Wort gesprüht. Das Frühstück verspätet sich, da das Bildnis erst entfernt werden muss. Im Lager fehlt eine Sprühdose, aber es gibt keinerlei Hinweise darauf, wer es getan haben könnte. Jeder hat allerdings eine Theorie und die meisten davon deuten auf dieselbe Person.
»Wir wissen, dass sie es war«, hört Lev immer wieder. »Miracolina ist die Einzige hier, die etwas gegen dich hat!«
»Woher wollt ihr wissen, dass sie die Einzige ist?«, fragt Lev. »Sie ist nur die Einzige, die den Mut hat, es laut auszusprechen.«
Weil Lev es so wünscht, schleudern die Kids Miracolina ihre Anklage nicht ins Gesicht, und die Erwachsenen sind diplomatisch genug, ihre Ansichten für sich zu behalten.
»Vielleicht brauchen wir mehr Überwachungskameras«, meint Cavenaugh.
»Was wir brauchen«, erwidert Lev, »ist mehr Meinungsfreiheit. Dann würde so etwas nicht passieren.«
Cavenaugh ist tief getroffen. »Du redest, als wären wir hier im Ernte-Camp. Jeder kann doch seine Meinung frei äußern.«
»Ja, aber wahrscheinlich hat nicht jeder das Gefühl.«
26.
Miracolina
Nachdem ihr jedes Lebewesen im Haus einen Tag lang die kalte Schulter gezeigt hat, klopft es an ihrer Tür. Sie sagt nichts, denn wer immer es ist, wird sowieso hereinkommen.
Die Tür öffnet sich langsam und Lev betritt ihr Zimmer. Als sie ihn sieht, beschleunigt sich ihr Herzschlag. Aus Wut, redet sie sich ein.
»Wenn du mich beschuldigen willst, dass ich das Bild beschädigt habe, dann gestehe ich. Ich kann die Wahrheit nicht mehr leugnen, ich war’s. Jetzt kannst du mich bestrafen: Nimm mir die supertollen Filme weg. Bitte.«
Levs Arme hängen schlaff herab. »Hör auf. Ich weiß, dass du es nicht warst.«
»Ach – dann habt ihr das unartige Zehntopfer wohl geschnappt?«
»Nein. Ich weiß nur, dass du es nicht warst.«
Ein wenig erleichtert ist sie schon, dass er sie verteidigt, obwohl es ihr geradezu Spaß macht, die Hauptverdächtige zu spielen. »Was willst du dann?«
»Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass man dich so hierhergebracht hat. Betäubt, mit verbundenen Augen und so. Ich meine, was sie hier tun, ist wichtig, aber ich bin nicht immer damit einverstanden, wie sie es tun.«
»Ich bin schon wochenlang hier«, sagt sie. »Warum erzählst du mir das jetzt?«
Lev streicht sich das Haar aus den Augen. »Ich weiß nicht. Es hat mich einfach belastet.«
»Also … gehst du jetzt rum und entschuldigst dich bei jedem?«
»Nein«, gibt Lev zu. »Nur bei dir.«
»Warum?«
Er beginnt in dem kleinen Zimmer auf und ab zu gehen. Seine Stimme wird lauter. »Weil du die Einzige bist, die immer noch wütend ist. Warum bist du so wütend? «
»Der Einzige, der grad wütend wird, bist du.« Miracolina zwingt sich zur Ruhe. »Aber anscheinend gibt es jede Menge wütender Kids hier. Warum hätte sonst einer dein Bildnis zerstören sollen?«
»Vergiss das doch mal!«, schreit Lev. »Wir reden jetzt über dich!«
»Wenn du weiter so herumbrüllst, muss ich dich bitten zu gehen. Ich glaube, das sollte ich sowieso.« Sie deutet zur Tür. »Geh!«
»Nein.«
Sie nimmt ihre Haarbürste und wirft sie nach ihm. Die Bürste knallt ihm gegen den Kopf, dann an die Wand und verschwindet hinter dem Fernseher.
»Aua!« Er fasst sich an den Kopf und verzieht das Gesicht. »Das hat wehgetan!«
»Gut.
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