Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
ansehen, kann aber nicht anders. Das Ding hat begonnen, Tränen aus Tränenkanälen zu weinen, die nicht mal seine eigenen sind, und das macht sie nur noch wütender.
»Dolch steckt tief.«
Risa hat keine Ahnung, was es da faselt; es ist ihr auch egal. »Schaffen Sie es weg«, brüllt sie Roberta an, »und wenn Sie noch einen Rest Anstand in sich haben, dann töten Sie es!«
Roberta sieht sie streng an und dreht sich dann zu Cam um. »Du kannst gehen, Cam. Warte draußen auf mich.«
Cam verlässt betreten das Zimmer und Roberta schließt die Tür. Sie ist fuchsteufelswild. Wenn Risa der Situation etwas Gutes abgewinnen will, dann, dass sie wenigstens Roberta aus der Fassung gebracht hat.
»Du bist ein grausames Mädchen«, wirft Roberta ihr vor.
»Und Sie sind ein Monster, so ein Ding zu erschaffen.«
»Die Geschichte wird darüber urteilen, was wir sind und was wir getan haben.« Und dann legt sie ein Stück Papier auf den Tisch. »Das ist eine Einwilligungserklärung. Unterschreib sie und du hast bis zum Ende der Woche eine neue, funktionierende Wirbelsäule.«
Risa nimmt das Blatt, zerreißt es und wirft die Schnipsel in die Luft. Roberta muss so etwas erwartet haben, denn sie holt eine zweite Einwilligungserklärung aus dem Ordner und klatscht sie auf den Tisch.
»Du wirst geheilt und du wirst dein unverschämtes Verhalten bei Cam wiedergutmachen.«
»Nicht in diesem Leben und auch in keinem anderen.«
Roberta lächelt, als wüsste sie etwas, das Risa nicht weiß. »Tja, dann … können wir nur hoffen, dass du deine Meinung noch änderst.« Sie geht aus dem Zimmer. Stift und Einwilligungserklärung lässt sie auf dem Tisch liegen.
Lange nachdem Roberta weg ist, liest sich Risa das Formular durch. Sie weiß, dass sie es nicht unterzeichnen wird, doch es fasziniert sie, was man da von ihr verlangt. Warum ist es ihnen so wichtig, dass ihr kaputter Körper repariert wird? Darauf gibt es nur eine Antwort: Aus irgendeinem Grund ist Risa wichtiger, als sie es je für möglich gehalten hat. Wichtig für beide Seiten.
29.
Cam
Er sitzt im Beobachtungsraum. Er ist viel öfter da gewesen, als er es zugeben möchte, und hat Risa bespitzelt – aber wenn es offiziell erlaubt ist, durch einen Einwegspiegel zu schauen, ist es wahrscheinlich gar keine Bespitzelung. Eher eine Überwachung.
Auf der anderen Seite der Scheibe starrt Risa den Vertrag an, den Roberta ihr hingelegt hat. Ihr Gesicht ist wie versteinert. Schließlich nimmt sie das Blatt in die Hand, faltet einen Papierflieger daraus und wirft ihn gegen den Spiegel. Cam zuckt unwillkürlich zusammen. Obwohl sie ihn nicht sehen kann, wandert ihr Blick fast genau zu dem Punkt, an dem sie ihm in die Augen gucken würde. Einen Moment lang hat Cam das Gefühl, dass sie nicht nur durch das Glas, sondern auch durch ihn hindurchsehen kann, und er muss den Blick abwenden.
Er findet es schrecklich, dass sie ihn hasst. Er hätte darauf gefasst sein müssen, aber trotzdem verletzen ihn ihre Worte zutiefst, und am liebsten würde er es ihr heimzahlen. Aber nein. Das ist nur die Reaktion der vielen Wandler in seinem Kopf, Jugendliche, die schon bei der kleinsten Provokation zugeschlagen haben. Er wird diesem Impuls nicht nachgeben. In ihm gibt es genügend vernünftige Teile, die Harmonie schaffen und die Störenfriede in seinem Innern in Schach halten können. Er ruft sich in Erinnerung, dass Roberta ihn als ein neues Paradigma bezeichnet hat – ein neues Modell dafür, wie die Menschheit sein könnte und sollte. Die Welt wird sich mit der Zeit an ihn gewöhnen, ihn verehren. Auch Risa.
Roberta betritt hinter ihm den Raum. »Es hat keinen Sinn, hierzubleiben«, sagt sie leise.
»Jericho«, erwidert er. »Sie ist eine Mauer, aber sie wird bröckeln. Ich weiß das.«
Roberta lächelt ihn an. »Ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass du sie überzeugen kannst. Ich vermute sogar, dass sie es sich schneller überlegt, als du glaubst.«
Cam versucht hinter die Fassade ihres Lächelns zu schauen, aber sie gibt nichts preis. »Katze hat Kanarienvogel gefressen – ich mag es nicht, wenn du Geheimnisse hast.«
»Kein Geheimnis«, sagt Roberta. »Nur ein unumstößlicher Glaube an die menschliche Natur. Und jetzt komm, wir müssen Fotos machen.«
Cam seufzt. »Schon wieder?«
»Hättest du lieber eine Pressekonferenz?«
»Splitter im Auge? Nein, danke!«
Cam muss zugeben, dass dieser neue Umgang mit den Medien erheblich besser ist als Pressekonferenzen und
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