Vollendet (German Edition)
Cafeteria.«
Um Lev herum marschieren verwirrte Polizisten mit falscher Entschlossenheit, als wüssten sie genau, wohin, nur um dann umzudrehen und mit derselben Entschlossenheit in die andere Richtung zu gehen.
Connor und Risa haben ihn verlassen.
Aber wenn er jetzt nicht mit den letzten Nachzüglern abhaut, zieht er die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich.
Er rennt weg und kommt sich dabei hilfloser vor als ein gestorchtes Baby. Wem soll er die Schuld dafür geben? Pastor Dan, weil er ihn zur Flucht angestiftet hat? Sich selbst, weil er die einzigen beiden Menschen verraten hat, die ihm helfen wollten? Oder etwa Gott, weil er diesen bitteren Moment in seinem Leben zugelassen hat? Du kannst sein, wer immer du willst, hat Pastor Dan gesagt. Aber im Augenblick hat Lev das Gefühl, überhaupt niemand zu sein.
Das bedeutet allein zu sein: Levi Jedediah Calder wird mit einem Schlag klar, dass es ihn nicht mehr gibt.
19. Connor
Der Antiquitätenladen liegt in einem älteren Viertel der Stadt. Bäume beschatten die Straßen, und ihre Kronen sind für die Lastwagen unnatürlich eckig beschnitten. Auf der Straße liegt gelbes und braunes Laub, aber an den Ästen halten sich noch hartnäckige Blätter fest und bilden einen schattigen Baldachin.
Das Baby lässt sich nicht beruhigen, und Connor will sich bei Risa darüber beschweren, aber das kann er nicht bringen.
Viele Menschen sind nicht auf der Straße, hauptsächlich treiben sich hier Schüler aus der Highschool herum und verbreiten wahrscheinlich noch mehr Gerüchte über Klatscher, die sich selbst in die Luft sprengen.
»Angeblich sind sie Anarchisten.«
»Angeblich ist es irgendeine merkwürdige Religion.«
»Angeblich tun sie es einfach nur so.«
Diese Ungewissheit macht Klatscher zu einer umso schrecklicheren Bedrohung.
»Das war echt schlau von dir«, sagt Connor, als sie auf den Antiquitätenladen zugehen. »So zu tun, als wären wir Klatscher, meine ich. Das wäre mir nie eingefallen.«
»Den JuPo gestern mit seiner eigenen Betäubungspistole auszuschalten, ist dir schnell genug eingefallen.«
Connor grinst. »Ich lass mich von meinem Instinkt leiten, du dich von deinem Kopf. Ich glaube, wir sind ein ziemlich gutes Team.«
»Ja, und ohne Lev wirken wir ein bisschen weniger gestört.«
Bei der Erwähnung von Lev flammt Zorn in Connor auf. Er reibt sich den Arm, die Stelle, wo Lev ihn gebissen hat, aber was er heute getan hat, schmerzt sehr viel mehr. »Vergiss ihn. Er ist Vergangenheit. Wir sind davongekommen, spielt also keine Rolle, dass er uns verpfiffen hat. Jetzt wird er umgewandelt, wie er es gerne haben wollte, und wir müssen uns nicht mehr mit ihm rumschlagen.« Dennoch nagt der Gedanke an Connor. Er hatte für Lev sein Leben riskiert. Er wollte den Jungen retten, aber er hat versagt. Wenn Connor besser mit Worten umgehen könnte, hätte er etwas sagen können, das Lev wirklich überzeugt hätte. Aber wem macht er etwas vor? Lev war vom Augenblick seiner Geburt an Zehntopfer. Niemand kann dreizehn Jahre Gehirnwäsche in zwei Tagen ungeschehen machen.
Der Antiquitätenladen ist alt. Weiße Farbe blättert von der Eingangstür. Connor stößt sie auf, und die Glöckchen oben am Türblatt bimmeln. Keine sehr moderne Einbruchssicherung. Ein Kunde steht im Laden, ein mürrischer Mann in einem Tweedmantel. Er schaut sie an, unbeteiligt, aber vielleicht auch angewidert von dem Baby, denn er schlendert in den hinteren Bereich des vollgestopften Ladens, um ihnen zu entfliehen.
In dem Geschäft gibt es Dinge aus wahrscheinlich jeder Epoche der amerikanischen Geschichte. Verschiedene iPods und andere Geräte aus der Generation von Connors Großvater liegen auf einem alten chromgerahmten Esstisch. Über den Bildschirm eines Plasmafernsehers flimmert ein alter Film, die verrückte Vision einer Zukunft, die nie eintraf, mit fliegenden Autos und einem weißhaarigen Wissenschaftler.
»Was kann ich für euch tun?«
Eine alte Frau, krumm wie ein Fragezeichen, kommt hinter der Kasse hervor. Sie geht am Stock, scheint aber trotzdem ziemlich trittsicher zu sein.
Risa wippt auf den Zehen auf und ab, damit das Baby in ihrem Arm nicht ganz so laut schreit. »Wir suchen Sonia.«
»Ihr habt sie gefunden. Was wollt ihr?«
»Wir … äh … wir brauchen Hilfe«, sagt Risa.
»Ja«, schaltet sich Connor ein. »Jemand hat uns gesagt, wir sollen hierherkommen.«
Die alte Frau schaut sie argwöhnisch an. »Hat das etwas mit dem Chaos an der Highschool zu tun?
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