Vollendet (German Edition)
ihr für die Umwandlung vorgesehen seid, aber fliehen konntet. Dank des Einsatzes vieler Menschen habt ihr den Weg hierher gefunden. Ihr werdet hier zu Hause sein, bis ihr siebzehn und damit dem Gesetz nach volljährig seid. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass sie über uns Bescheid wissen. Sie lassen uns nur in Ruhe, weil sie in uns keine Gefahr sehen.«
Und dann lächelt Connor.
»Das werden wir ändern.«
Während Connor spricht, sieht er jedem einzelnen der Kids in die Augen, prägt sich jedes Gesicht ein. Jede und jeder von ihnen soll das Gefühl haben, beachtet zu werden. Einzigartig zu sein. Wichtig zu sein.
»Einige von euch haben schon genug durchgemacht und wollen nur überleben, bis sie siebzehn sind«, sagt er. »Das kann ich euch nicht verdenken. Aber einige von euch sind bereit, alles zu riskieren, um der Umwandlung ein für alle Mal ein Ende zu setzen.«
»Ja«, schreit ein Junge von hinten, streckt die Faust in die Luft und skandiert: »Happy Jack! Happy Jack! Happy Jack!« Ein paar andere stimmen ein, bis sie merken, dass Connor ungehalten ist. Die Rufe verstummen.
»Wir werden keine Schlachthäuser in die Luft sprengen«, sagt er. »Wir werden nicht das Vorurteil bedienen, dass wir gewalttätige Jugendliche sind, die man besser umwandeln sollte. Wir infiltrieren Ernte-Camps und vereinen die Wandler im ganzen Land. Wir befreien sie aus den Bussen, die sie ins Camp bringen. Wir haben eine Stimme, und die werden wir benutzen. Wir werden uns Gehör verschaffen.« Nun kann die Menge ihren Jubel nicht mehr bändigen, und diesmal lässt Connor ihn zu. Die Kids sind vom Leben untergebügelt worden, doch auf dem Friedhof ist eine Energie spürbar, die jeden von ihnen erfüllt. Connor erinnert sich an dieses Gefühl. Er hatte es auch, als er als Wandler hier eintraf.
»Ich weiß nicht, was bei der Umwandlung mit unserem Bewusstsein geschieht«, sagt Connor. »Ich weiß nicht einmal, wo das Bewusstsein anfängt. Aber eins weiß ich.« Er hält kurz inne, damit auch wirklich alle zuhören. »Wir haben ein Recht auf unser Leben!«
Die Kids geraten außer Rand und Band.
»Wir haben ein Recht darauf, zu entscheiden, was mit unserem Körper geschieht!«
Der Jubel ist ohrenbetäubend.
»Wir haben eine Welt verdient, in der beides möglich ist – und es ist unsere Aufgabe, diese Welt mit aufzubauen.«
Auf der Dunfee-Ranch nimmt derweil der Trubel zu. Die Gespräche im Garten wachsen sich zu einem Tosen aus, da mehr und mehr Menschen miteinander in Kontakt treten. Emby unterhält sich mit einem Mädchen, das das linke Gegenstück zu ihrem Lungenflügel erhalten hat. Eine Frau tauscht sich mit einem Mann über einen Film aus, den sie nie gesehen hat, während er sich an Freunde erinnert, mit denen er nie im Kino war. Und unter den Augen des Admirals und seiner Frau geschieht etwas Faszinierendes.
Die Gespräche fügen sich zusammen!
Wie Wasserdampf, der in einer prachtvollen, einzigartigen Schneeflocke kristallisiert, münden die vielen Stimmen in ein großes Gespräch.
»Sieh mal da drüben! Von der Mauer ist er gefallen, da war er …«
»… sechs! Ja, ich erinnere mich!«
»Er hatte monatelang einen Verband am Handgelenk.«
»Das Handgelenk tut bei Regen immer noch weh.«
»Er hätte nicht auf die Mauer klettern dürfen.«
»Ich musste es tun – ein Stier war hinter mir her.«
»Ich hatte solche Angst!«
»Die Blumen da drüben – riecht ihr die?«
»Sie erinnern mich an einen Sommer …«
»… in dem mein Asthma nicht so schlimm war …«
»… und ich das Gefühl hatte, mir gehört die Welt.«
»Die ganze Welt!«
»Sie hat nur auf mich gewartet!«
Der Admiral berührt seine Frau am Arm. Beide können die Tränen nicht zurückhalten – nicht Tränen der Trauer, sondern Tränen der Ehrfurcht. Wenn der Rest seines Herzens aufhören würde zu schlagen, jetzt, in diesem Moment, würde der Admiral zufriedener sterben als jeder andere Mensch auf Erden.
Er betrachtet die Menge und sagt schwach: »Ha … Harlan?«
Alle Blicke wenden sich ihm zu. Ein Mann berührt sanft seine Kehle und sagt in einer Stimme, die eindeutig Harlan Dunfees ist, nur etwas älter: »Dad?«
Der Admiral ist so überwältigt von seinen Gefühlen, dass er nichts sagen kann, und so lässt seine Frau den Blick auf den Mann neben ihr schweifen, die Menschen vor ihr, über die ganze Menge um sie herum und sagt: »Willkommen zu Hause.«
Tausend Kilometer weit weg, auf dem Flugzeugfriedhof,
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