Vollendet (German Edition)
Prohibition Fusel versteckt.«
»Fusel?«
»Alkohol! Immer dasselbe mit dieser Generation. IGNORANTEN – in Großbuchstaben!«
Die Stufen nach unten sind steil und uneben. Zuerst glaubt Connor, Sonia will sie allein hinunterschicken, aber dann besteht sie darauf voranzugehen. Sie nimmt sich Zeit, scheint sich aber auf den Stufen sicherer zu fühlen als auf ebenem Untergrund. Connor will sie am Arm nehmen und stützen, aber sie schüttelt seine Hand ab und schaut ihn böse an. »Wenn ich deine Hilfe brauche, melde ich mich. Sehe ich etwa gebrechlich aus?«
»Ehrlich gesagt, ja.«
»Oft genug trügt der Schein«, sagt sie. »Als du in den Laden kamst, fand ich, du würdest halbwegs intelligent aussehen.«
»Sehr witzig.«
Am Fuß der Treppe streckt Sonia die Hand aus und knipst einen Lichtschalter an.
Risa keucht auf, Connor folgt ihrem Blick. Drei Gestalten. Ein Mädchen und zwei Jungen.
»Eure kleine Familie hat Zuwachs bekommen«, erklärt Sonia.
Die Jugendlichen rühren sich nicht. Dem Anschein nach sind sie ungefähr so alt wie Connor und Risa. Bestimmt auch Wandler. Sie sehen misstrauisch und erschöpft aus. Connor fragt sich, ob er wohl einen ähnlichen Eindruck macht.
»Hört um Himmels willen auf, so zu glotzen«, fährt Sonia die drei an. »Ihr seht aus wie eine Horde Ratten.«
Sie schlurft in dem staubigen Keller herum und weist Risa und Connor ein. »Hier auf dem Regal stehen Dosen, ein Öffner liegt auch irgendwo. Esst, was ihr wollt, aber lasst nichts übrig, sonst habt ihr bald wirklich Ratten hier. Die Toilette ist dort drüben. Haltet sie sauber. Ich geh demnächst noch mal los und besorge Muttermilchersatz und eine Flasche.« Sie schaut Connor an. »Ach so, irgendwo liegt auch ein Erste-Hilfe-Set für die Bisswunde an deinem Arm, was immer es damit auf sich hat.«
Connor muss sich ein Grinsen verkneifen. Sonia entgeht nichts.
»Wie lange noch?«, fragt die älteste der drei Kellerratten, ein muskulöser Junge, der Connor mit unverhohlenem Misstrauen betrachtet, als könne er ihm seine Rolle als Leitwolf streitig machen.
»Was kümmert dich das?«, fragt Sonia zurück. »Hast du einen dringenden Termin?«
Der Junge antwortet nicht. Er funkelt Sonia nur wütend an und verschränkt die Arme. Connor erkennt auf einem Unterarm einen tätowierten Hai. Ooh, wie gefährlich. Jetzt hab ich aber richtig Angst.
Sonia seufzt. »In vier Tagen bin ich euch für immer los.«
»Was passiert in vier Tagen?«, fragt Risa.
»Da kommt der Eismann.« Damit erklimmt Sonia schneller die Stufen, als Connor es für möglich gehalten hätte. Die Falltür knallt zu.
»Der freundliche Hausdrache erzählt uns nie, was als Nächstes passiert, Herzblatt«, sagt der zweite Junge, ein schlaksiger blonder Kerl mit einem Dauergrinsen. Er trägt eine Spange, obwohl seine Zähne eigentlich keine benötigen. Seine Augen verraten schlaflose Nächte, doch seine Haare sind perfekt frisiert. Dieser Typ kommt aus reichem Haus, auch wenn er jetzt Lumpen trägt.
»Sie bringen uns in ein Ernte-Camp und schneiden uns auseinander, das wird passieren«, sagt das Mädchen. Sie ist Asiatin und sieht mit ihren dunkelpink gefärbten Haaren und dem stacheligen Lederhalsband fast so zäh aus wie der Typ mit der Tätowierung.
Der Haifisch-Junge schaut sie scharf an. »Hör bloß auf mit deinem Weltuntergangsscheiß.« Über seine Wange ziehen sich vier parallel verlaufende Kratzer, wie von Fingernägeln. Das Mädchen hat ein blaues Auge.
»Nicht der Untergang der ganzen Welt«, grummelt sie. »Nur unserer.«
»Du bist so niedlich, wenn du nihilistisch wirst«, sagt der Grinser.
»Halt die Klappe.«
»Das sagst du nur, weil du nicht weißt, was nihilistisch bedeutet.«
Risa wirft Connor einen Blick zu, und er weiß, was sie denkt. Wie sollen wir es vier Tage lang mit dieser Bande aushalten? Dennoch streckt sie als Erste die Hand aus und stellt sich vor. Widerstrebend tut Connor es ihr nach.
Wie sich herausstellt, kann jeder Wandler im Keller eine Geschichte erzählen, die auf der Taschentuch-Skala eine volle Zehn erreicht.
Der Grinser heißt Hayden. Wie Connor vermutet hat, kommt er aus einer steinreichen Familie. Als sich seine Eltern scheiden ließen, entbrannte ein brutaler Kampf um das Sorgerecht für ihn. Zwei Jahre und sechs Gerichtstermine später war er immer noch nicht entschieden. Am Ende konnten sich sein Vater und seine Mutter nur darauf einigen, dass sie Hayden lieber umwandeln lassen wollten, als dem anderen das
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