Vollendet (German Edition)
sieht schrecklich aus. Seine Nase ist lila und geschwollen, sein Hemd blutbeschmiert, und aus beiden Nasenlöchern rinnt schon wieder Blut.
»Was ist denn mit dir passiert?«
Er sieht sie an, und als er sie erkennt, antwortet er: »Dein Freund – das ist passiert. Aber er wird dafür bezahlen.«
Risa liegen noch jede Menge Fragen auf der Zunge, aber dem Jungen tropft das Blut aufs Hemd, und das Wichtigste ist, die Blutung zu stillen. Er legt den Kopf in den Nacken.
»Nein. Beug dich nach vorn, sonst musst du gleich kotzen.«
Er tut wie geheißen. Die drei vom Tribunal kommen hinter ihrem Tisch hervor, doch Risa hat schon alles im Griff.
»Drück die Nasenflügel zusammen, so.« Sie zeigt ihm genau, was er machen muss, um den Blutstrom zu stillen. »Du musst ein bisschen Geduld haben, so was dauert.«
Als die Blutung aufhört, gesellt sich Backbord-Boy zu ihr und sagt: »Gut gemacht.«
Kurzerhand wird sie vom Tellerwäscher zum Sanitäter befördert. Witzigerweise hat sie das indirekt Connor zu verdanken, der dem armen Kerl die Nase gebrochen hat.
Was den Jungen mit der blutigen Nase angeht: Er wird tatsächlich Tellerwäscher.
Die ersten paar Tage, in denen Risa ohne anständige Einweisung Sanitäter spielt, sind schrecklich. Die anderen im Sanitätsflieger scheinen viel mehr Ahnung zu haben. Doch rasch wird Risa klar, dass sie bei ihrer Ankunft genau wie sie ins kalte Wasser geworfen worden waren.
»Du kommst schon klar. Du hast eine natürliche Begabung«, sagt der »Oberarzt«, der vielleicht gerade einmal siebzehn ist. Er hat recht. Bald leistet sie wie selbstverständlich Erste Hilfe, behandelt Krankheiten und näht sogar einfache Wunden. Die Arbeit ist so vertraut wie das Klavierspiel, die Tage fliegen dahin, und ehe sie es sich versieht, ist seit ihrer Ankunft auf dem Friedhof schon ein ganzer Monat vergangen. Mit jedem Tag fühlt sie sich sicherer. Der Admiral ist ein komischer Vogel, aber er hat etwas für sie getan, das, seit sie das Waisenhaus verlassen hat, niemand geschafft hat. Er hat ihr das Recht zu leben wiedergegeben.
34. Connor
Wie Risa findet auch Connor seine Nische per Zufall. Er hat sich nie als großen Mechaniker betrachtet, aber kaum etwas geht ihm so auf die Nerven wie ein Haufen Schwachköpfe, die um ein kaputtes Gerät herumstehen und darüber diskutieren, wie sie es reparieren können. In der ersten Woche, in der sich Risa zu einer passablen Ersatzärztin entwickelt, befasst sich Connor mit der Funktionsweise einer überhitzten Klimaanlage, besorgt sich aus einem der Schrottberge die passenden Ersatzteile und bringt sie wieder zum Laufen.
Nach und nach stellt er fest, dass er fast alle kaputten Dinge, die ihm unterkommen, wieder hinkriegt. Natürlich probiert er anfangs viel herum, aber im Lauf der Zeit wird es immer einfacher. Eine Menge Jungs geben sich als fähige Mechaniker aus und können tatsächlich erklären, warum etwas nicht funktioniert. Connor allerdings kann es auch reparieren.
Bald wird er von der Schrottsortierung ins Reparaturteam versetzt. Da es immer etwas zu reparieren gibt, hat er kaum Zeit zum Nachdenken, etwa darüber, dass er Risa in der straff durchgeplanten Welt des Admirals kaum noch zu sehen bekommt. Oder dass Roland rasant die soziale Leiter nach oben klettert.
Roland hat es geschafft, einen der besten Jobs auf dem Friedhof an Land zu ziehen. Immer auf seinen Vorteil bedacht, hat er es mittels beharrlicher Schmeichelei zum Assistenten des Piloten gebracht. Hauptsächlich ist es seine Aufgabe, den Hubschrauber sauber zu halten und aufzutanken, doch das ist natürlich noch lange nicht alles.
»Er bringt mir das Fliegen bei«, erklärt Roland einer Schar Kids. Connor, der in der Nähe steht, schüttelt es bei dem Gedanken, dass Roland den Steuerknüppel eines Hubschraubers in der Hand hat, aber viele andere sind schwer beeindruckt. Roland, der schon wegen seines Alters über den meisten anderen steht, flößt mit seiner manipulativen Art überraschend vielen Jugendlichen Angst oder Respekt ein. Er zieht seine negative Energie aus den Kids, die er um sich schart. Und hier gibt es eine Menge Kids.
Andere zu beeinflussen gehört nicht gerade zu Connors Stärken. Sogar seinen eigenen Teamgefährten bleibt er ein Rätsel. Sie hüten sich davor, ihm zu nahe zu kommen, weil er Ärger und Dummheit nicht abkann und eine niedrige Toleranzschwelle hat. Trotzdem hätten sie niemanden lieber auf ihrer Seite als Connor.
»Die Leute halten dich für
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