Vollendet (German Edition)
keiner?«
»Wer behauptet, dass es keiner merkt? Im Vergleich zur Umwandlung ist Sklaverei gar nicht so übel. Oder jedenfalls das kleinere Übel.«
»Ich verstehe nicht, warum es überhaupt ein Übel geben muss.«
Als die Versammlung beendet ist, spürt Connor eine Hand auf seiner Schulter. Er glaubt, es sei ein Freund, doch es ist Roland. Völlig überrumpelt braucht Connor einen Augenblick, ehe er reagiert. Dann schüttelt er Rolands Hand ab. »Willst du was?«
»Nur reden.«
»Musst du nicht deinen Hubschrauber waschen?«
Roland lächelt. »Weniger waschen als fliegen. Cleaver hat mich zu seinem inoffiziellen Kopiloten gemacht.«
»Dann muss er lebensmüde sein.« Connor weiß nicht, wer ihn mehr nervt: Roland oder der Pilot, der sich von ihm einwickeln lässt.
Roland sieht zu, wie sich die Menge zerstreut. »Der Admiral hat hier ein einträgliches Geschäft am Laufen«, sagt er. »Den meisten Losern ist das egal. Aber dir nicht, hab ich recht?«
»Und?«
»Du bist nicht der Einzige, der findet, dass der Admiral eine kleine … Lektion vertragen könnte.«
Connor missfällt, welche Richtung das Gespräch nimmt. »Was ich vom Admiral halte, ist meine Sache.«
»Aber klar doch. Hast du übrigens mal seine Zähne gesehen?«
»Was soll damit sein?«
»Es ist ziemlich offensichtlich, dass es nicht seine sind. Wie ich höre, hat er in seinem Büro ein Foto des Kindes hängen, von dem er sie hat. Ein Wandler wie wir, der wegen ihm nie achtzehn geworden ist. Da fragt man sich doch, wie viel er noch von unsereins hat. Ob vom ursprünglichen Admiral überhaupt noch was übrig ist.«
So viel Information kann Connor hier und jetzt nicht verarbeiten – und will es auch nicht angesichts der Quelle, aus der sie stammt. Eigentlich will er sich mit solchen Gedanken überhaupt nicht beschäftigen. Doch er weiß, dass er später genau das tun wird.
»Roland, damit eins zwischen uns völlig klar ist: Ich vertraue dir nicht. Ich mag dich nicht. Ich will mit dir nichts zu tun haben.«
»Ich kann dich auch nicht ab«, sagt Roland. Dann deutet er auf das Flugzeug des Admirals. »Aber im Moment haben wir denselben Feind.«
Roland schlendert davon, ehe überhaupt jemand Notiz von ihrem Gespräch genommen hat, und lässt Connor mit einem Kloß im Hals zurück. Bei der Vorstellung, dass er und Roland auf derselben Seite stehen könnten, hat er einen schalen Geschmack im Mund.
In der folgenden Woche geht die Saat auf, die Roland in Connors Gehirn gepflanzt hat. Jedes Mal, wenn er den Admiral sieht, fällt Connor etwas Neues auf. Sein Gebiss ist wirklich perfekt. Das sind nicht die Zähne eines alternden Kriegsveteranen. Und wie er die Leute ansieht, wie er ihnen in die Augen sieht – als wäre er auf der Suche nach einem Augenpaar, das zu ihm passt. Von den Jugendlichen, die auf Arbeitseinsätze gehen, hört man nie wieder etwas. Wer weiß, wo sie wirklich landen? Vielleicht werden sie ja alle umgewandelt? Der Admiral behauptet, er wolle Wandler retten, aber was, wenn er etwas völlig anderes vorhat? Solche Gedanken halten Connor die ganze Nacht wach. Er teilt sie niemandem mit, denn sobald er das tut, verbündet er sich mit Roland. Und diese Allianz will Connor niemals eingehen.
In der vierten Woche auf dem Friedhof, während Connor Argumente gegen den Admiral sammelt, trifft ein neues Flugzeug ein. Es ist das erste seit ihrer eigenen Ankunft, und wie ihres ist es vollgepackt mit Fracht. Connor schraubt gerade an einem defekten Generator herum, als die fünf Champs die Neuankömmlinge zu ihren Unterkünften bringen. Er beobachtet interessiert, wie sie an ihm vorbeimarschieren, und fragt sich, ob einer von ihnen wohl technisch mehr draufhat als er und ihn auf eine weniger interessante Position verdrängen wird.
Dann, gegen Ende der Schlange, entdeckt er ein Gesicht, das er zu kennen meint. Jemand von zu Hause? Nein. Woher dann? Plötzlich geht ihm ein Licht auf. Der Junge, von dem Connor geglaubt hat, er wäre seit Wochen umgewandelt. Der Junge, den er entführt hatte, um ihn zu retten. Lev!
Connor lässt den Schraubenschlüssel fallen und läuft los, beherrscht sich jedoch, bevor er bei der Schlange ankommt, und verbirgt sein Gefühlschaos hinter einem lässigen Schlendern. Es ist der Junge, der ihn verraten hat. Der, dem er nie verzeihen wollte. Und trotzdem war der Gedanke an seine Umwandlung unerträglich. Aber Lev ist nicht umgewandelt worden, nein, er ist hier, auf dem Weg zum Vorratsflieger. Connor ist
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