Vollendet (German Edition)
sortieren und für den Verkauf vorzubereiten. Es läuft wie auf jedem normalen Schrottplatz, nur im größeren Maßstab. Nicht alle Flugzeuge werden zerlegt. Einige verkauft der Admiral im Ganzen. Wieder andere werden zu Wohnquartieren für die Kids umgebaut.
7) Teenager-Befindlichkeiten sind etwas für Grossstadtkids. Kommt darüber hinweg.
Die Kids werden zu Teams zusammengestellt, die am besten für die Aufgabe geeignet sind und vom Alter und ihren persönlichen Bedürfnissen her gut zusammenpassen. Der Admiral hat lebenslange Erfahrung, Soldaten zu einer einheitlichen Kampftruppe zu formen. Diese Erfahrung ermöglicht es ihm, aus zornigen, problembelasteten Jugendlichen eine funktionierende Gesellschaft aufzubauen.
8) Hormone werden meine Wüste nicht beherrschen.
Mädchen werden nie mit Jungs in ein Team gesteckt.
9) Wenn ihr achtzehn seid, bin ich nicht mehr für euch verantwortlich.
Der Admiral hat seine Liste mit den zehn wichtigsten Regeln in jedem Flugzeug aufgehängt, in dem die Jugendlichen leben oder arbeiten. Die Kids nennen sie »Die zehn Gebote«. Dem Admiral ist es egal, wie sie genannt werden, solange jeder sie kennt und sich entsprechend verhält.
10) Macht etwas aus eurem Leben. Das ist ein Befehl.
Er hat dafür zu sorgen, dass vierhundert Kinder gesund, versteckt und unversehrt bleiben. Doch der Admiral ist vor dieser Aufgabe nie davongelaufen. Und was ihn wirklich antreibt, behält er, wie seinen Namen, lieber für sich.
33. Risa
Für Risa sind die ersten Tage auf dem Friedhof hart und scheinbar endlos. Ihr Aufenthalt beginnt mit einer Übung in Demut.
Jeder Neuankömmling muss sich einem Tribunal stellen, drei Siebzehnjährigen, die in einem ausgeschlachteten Großraumflugzeug hinter einem Tisch sitzen. Zwei Jungs und ein Mädchen. Diese drei bilden gemeinsam mit Amp und Jeeves, die Risa bei ihrer Ankunft kennengelernt hat, die fünfköpfige Elitegruppe, die jeder »die Champs« nennt. Ihnen vertraut der Admiral am meisten, und deshalb tragen sie die Verantwortung.
Als Risa an die Reihe kommt, haben sie bereits vierzig Kids befragt.
»Erzähl uns etwas über dich«, sagt der Junge rechts. Steuerbord-Boy nennt Risa ihn. »Was machst du, was kannst du?«
Das letzte Tribunal, das Risa erlebt hat, war im Waisenhaus, als sie zur Umwandlung verurteilt wurde. Die drei, die ihr gegenübersitzen, langweilen sich und interessieren sich nicht dafür, was Risa sagt. Sie wollen nur zum Nächsten kommen. Sie hasst sie dafür, genau, wie sie den Heimleiter hasste, als er ihr erklärte, dass sie nicht länger ein Mitglied der Gesellschaft wäre.
Das Mädchen in der Mitte weiß wohl, was in ihr vorgeht, denn sie lächelt und sagt: »Keine Angst, das ist kein Test. Wir wollen dir nur helfen, einen passenden Platz zu finden.« Das ist eine merkwürdige Formulierung, denn jeder Wandler leidet im Grunde darunter, dass es für ihn keinen passenden Platz gibt.
Risa atmet tief ein. »Im Waisenhaus war Musik mein Hauptfach«, sagt sie und bereut sofort, das Waisenhaus erwähnt zu haben. Auch unter Wandlern gibt es Vorurteile und Hackordnungen. Tatsächlich lehnt sich Steuerbord-Boy zurück und verschränkt verächtlich die Arme, doch Backbord-Boy sagt: »Ich bin auch ein Mündel. Florida Waisenhaus 18.«
»Ohio 23.«
»Welches Instrument spielst du?«, fragt das Mädchen.
»Klassisches Klavier.«
»Sorry«, sagt Steuerbord-Boy. »Wir haben schon genug Musiker, und Flugzeuge haben nun mal leider kein Klavier serienmäßig.«
»Mit meinem Überleben habe ich mir Respekt verdient«, sagt Risa. »Ist das nicht eine der Regeln des Admirals? Ich glaube, deine Haltung würde ihm nicht besonders gefallen.«
Steuerbord-Boy windet sich. »Können wir weitermachen?«
Das Mädchen grinst Risa entschuldigend an. »Ich gebe es nur ungern zu, aber wir brauchen hier und jetzt tatsächlich anderes dringender als einen Virtuosen. Was kannst du denn sonst noch?«
»Gebt mir einfach einen Job, und ich mache ihn.« Risa möchte die Prozedur nur noch hinter sich bringen. »So läuft es hier doch sowieso, oder?«
»Also, wir brauchen immer Helfer in der Kantine«, sagt Steuerbord-Boy. »Vor allem nach den Mahlzeiten.«
Das Mädchen blickt Risa eindringlich an. Sie hofft wohl, dass sie doch noch etwas Besseres vorschlägt, aber Risa sagt nur: »Prima. Tellerwäscher. Bin ich dann hier fertig?«
Beim Hinausgehen bemüht sie sich, ihre Abscheu zu verbergen. Auf dem Weg zur Tür begegnet ihr der nächste Kandidat. Er
Weitere Kostenlose Bücher