Vollendung - Thriller
Woche nach dem Begräbnis seiner Mutter, am selben Tag, an dem der achtzehnjährige Christian mit dem Anwalt seines Vaters sprach – einem freundlichen alten Herrn, der den Verkauf der Softwarefirma seines Vaters regeln und den Bildhauer zum vielfachen Millionär machen würde. Bei dieser Gelegenheit erzählte ihm der Anwalt von den genaueren Umständen des Unfalls und der Affäre seiner Mutter im Country Club mit einem Tennisprofi namens Damon Manzera – einem einst vielversprechenden jungen Spieler, dessen Karriere durch eine Verletzung abrupt beendet wurde, und der nach den Worten des Anwalts nur einige Jahre älter war als Christian selbst. So kam es, dass der junge Mann namens Christian nach dem Treffen mit seinem Anwalt ohne nachzudenken nach St. Bartholomew zurückwanderte, wie ein Zombie, der im Nebel nach Orientierung suchte.
Und so geschah es, dass der junge Mann, der eines Tages »der Bildhauer« werden sollte – auch wenn er noch weit entfernt davon war, den größeren Zusammenhang zu begreifen –, sein erstes Erweckungserlebnis hatte, als er vor der Pietà stand und auf Michelangelos Meisterwerk blickte, wie er es vor vielen Jahren so oft in den Armen seiner Mutter getan hatte. Es war jedoch nicht die Statue selbst, sondern die Plakette am Sockel, die ihn plötzlich verstehen ließ, warum ihn das Schicksal an diesem Tag hierhergeführt hatte.
Gewidmet dem Andenken von Filomena Manzera
Manzera. Damon Manzera.
Ja, wie viele Male hatte der Bildhauer mit seiner Mutter in genau dieser Kirche gesessen und gehört, wie Hochwürden Bonetti der Gemeinde versicherte, dass ihre Zeit auf dieser Welt einem größeren Zweck diene, zu dem sie alle zusammen beitrügen, dass die Leben aller Menschen untereinander verflochten seien, dass alles miteinander verbunden sei. Und nach einigem Herumstochern hatte der junge Mann namens Christian erfahren, dass die Familie, die der Kirche St. Bartholomew die Pietà geschenkt hatte, tatsächlich dieselbe war, die der Welt den Tennisprofi Damon Manzera geschenkt hatte – den Tennisprofi, der seine Mutter getötet und seinen Vater zum sabbernden Idioten gemacht hatte.
Und so hatte sich der junge Mann namens Christian mit der Erlaubnis des Schicksals durch den Wald in den Garten der Manzeras geschlichen, war nach Einbruch der Dunkelheit über die hohe Steinmauer gesprungen und hatte in den Bäumen versteckt gewartet, bis Damon Manzera anständig betrunken war. Er besaß zu diesem Zeitpunkt weder das Nachtsichtgerät noch das Betäubungsgewehr, das er später bei Tommy Campbell benutzen sollte. Er musste den Tennisspieler nicht einmal gewaltsam unter Kontrolle bringen wie den armen Michael Wenick, als er ihn durch das Abflussrohr schleifte. Nein, für den jungen Mann, der bald der Bildhauer werden sollte, war sein erster Mord irgendwie enttäuschend: Am Ende hob er den bewusstlosen Damon Manzera einfach von seinem Liegestuhl und ertränkte ihn mit nicht mehr Anstrengung, als er zum Geschirrspülen aufwandte.
Christian konnte vom Sprungbrett in den Wald hüpfen, ohne auch nur einen Fußabdruck auf dem Zement zu hinterlassen. Als in den folgenden Wochen klar wurde, dass er mit seinem Mord an Damon Manzera tatsächlich ungestraft davonkam, begann sich der junge Mann namens Christian leer zu fühlen. Ja, der Mann, der bald der Bildhauer werden sollte, wollte wieder töten. Er wollte weitere Damon Manzeras töten – und das so sehr, dass er sogar eine Erektion bekam, wenn er daran dachte.
Tatsächlich verstand der junge Mann namens Christian trotz seines Intellekts, trotz allem Selbstbewusstsein nie ganz, warum er – als er jünger war, als er auf der Phillip Exeter Academy gewesen war – nie viel Interesse an Mädchen gezeigt hatte. Er bekam keinen Steifen, wenn er sie in der Klasse ansah, und auf keinen Fall wichste er sich einen auf die im Umlauf befindlichen pornografischen Bilder ab, wie es seine Schulkameraden taten. Sicher, manchmal ging seine Hand spätnachts geistesabwesend an seinen Schritt, wenn er an seine Mutter dachte, aber wirklich einen Steifen bekam er nur, wenn er an seine männlichen Klassenkameraden dachte, wenn er sie ohne Hemd sah, oder wie sie aus der Dusche kamen, worauf Christian immer rasch den Blick abwandte, um nicht vor ihnen erregt zu werden.
Es gab nur einen einzigen anderen Jungen an der Schule, von dem Christian wusste, dass er genauso empfand, einen »erfahrenen« Jungen, der Christian unter seine Fittiche nahm, und mit dem er sich
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