Vollendung - Thriller
weiß keine Einzelheiten, aber Mrs. Manzera hat mir erzählt, dass ihr Sohn Damon vor zehn Jahren in diesem Swimmingpool ertrunken ist.«
»Und du glaubst, sein Tod hängt irgendwie mit dem Michelangelo-Mörder zusammen?«
»Ich weiß es nicht, Cathy. Aber wir sollten zuerst mal schauen, ob wir in den Zeitungen etwas finden – einen Artikel über den Unglücksfall, einen Nachruf auf den jungen Mann. Wenn etwas faul zu sein scheint, kann ich Sullivan als Nächstes auf die Polizeiberichte und den Bericht des Coroners zu Damon Manzera ansetzen. Vielleicht bin ich auch total auf dem Holzweg, vielleicht ist alles nur ein bizarrer Zufall …«
»Aber das glaubst du nicht wirklich, Sam, oder?«
Der FB I -Agent zuckte nur kraftlos mit den Schultern, während der Trailblazer das schattige Blätterdach verließ, das die Wohngegend der Manzeras prägte. Das Schweigen war lang und peinlich, aber als Markham die Route 95 erreichte, redeten sie wieder und überlegten zusammen, was sie tun sollten, falls sich alles doch als Sackgasse herausstellen sollte.
Keiner von beiden bemerkte den blauen Toyota Camry, der ein kleines Stück hinter ihnen auf den Highway gebogen war.
43
D er Bildhauer achtete sorgsam darauf, nicht zu dicht aufzufahren – er ließ immer mindestens sechs oder sieben Wagenlängen zwischen sich und dem FB I -Fahrzeug. Es war ein Wagnis gewesen, zu seinem Haus zurückzufahren, um den Porsche gegen den Toyota Camry zu tauschen, aber er wollte nicht zu auffällig sein für den Fall, dass die Insassen des schwarzen Trailblazers ihn bemerkten, wenn sie das Wohnviertel verließen und in Richtung Highway fuhren. Dieses Wagnis machte sich nun bezahlt, und der Bildhauer wollte die einmalige Gelegenheit herauszufinden, was das FBI im Sinn hatte, nicht verderben – dieses fantastische Blatt, das ihm das Schicksal schließlich doch noch gegeben hatte.
Der Bildhauer war den ganzen Samstagvormittag mit Schnauzbart, Brille und einer Baseballmütze getarnt ziellos in seinem Porsche herumgefahren und hatte nach einem Zeichen Ausschau gehalten – nach einem Anzeichen von Dr. Hildy, vielleicht, oder wo er später nach Material für seinen David stöbern könnte.
Und auch wenn er weder das eine noch das andere gefunden hatte und eben frustriert nach Hause zurückkehren wollte, hatte ihn das Schicksal genau zur richtigen Zeit am Haus der Manzeras vorbeifahren lassen – es war wie an jenem Tag, an dem er seinen Satyr überraschend vom Schwimmbad in Cranston nach Hause gehen sah.
Ja, besser als alles andere verstand der Bildhauer vielleicht das zarte Wirken des Schicksals – verstand, wie er die Zeichen der göttlichen Vorsehung erkannte und sich auf jener rasiermesserscharfen Linie zwischen Vorbestimmung und freiem Willen bewegen musste. Diese Einsicht, dieses feine Gespür war ihm als Junge zuteilgeworden – der noch Christian genannt wurde –, als sein Blick zum ersten Mal auf die Pietà in St. Bartholomew gefallen war, der Kirche seiner Mutter.
Dorthin, in ihr altes Wohnviertel, hatte seine Mutter ihn immer an den Sonntagvormittagen mitgenommen, an denen sein Vater auf Geschäftsreise gewesen war. Und dort, in der kleinen Kapelle seitlich der Hauptkirche, hatte der Junge namens Christian stundenlang, wie es ihm schien, gestanden und auf die Marmorstatue der Heiligen Jungfrau und ihres Sohns gestarrt.
»Die Liebe einer Mutter ist das größte Geschenk, das ein Kind bekommen kann«, hatte seine Mutter oft zu ihm gesagt. »Deshalb habe ich dich Christian genannt.«
»Und dein Name ist Maria«, hatte der kleine Junge dann geantwortet. »Genau wie bei der Statue.«
»Das stimmt«, sagte seine Mutter. »Und ich liebe dich mehr als alles auf der großen weiten Welt. Genau wie bei der Statue.«
O ja. Selbst als Junge hatte der Bildhauer bereits verstanden.
Und jahrelang hatten sie beide – Maria und Christian, Mutter und Sohn – an diesen Sonntagen in St. Bartholomew der Predigt von Hochwürden Bonetti gelauscht und nach der Messe noch lange in der Votivkapelle verweilt, um die Marmorstatuen zu betrachten. Mutter und Sohn waren sich immer einig gewesen: Die Pietà gefiel ihnen am besten von allen.
Doch als der Junge ein bisschen älter wurde – ach, vielleicht sechs oder sieben –, begann seine Mutter ihre Hand in seinen Schoß zu legen, wenn sie nach der Kirche von der Bäckerei nach Hause fuhren – der Duft von frischem italienischen Brot erfüllte den Wagen, und seine Sonntagshose straffte sich
Weitere Kostenlose Bücher