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Vollendung - Thriller

Vollendung - Thriller

Titel: Vollendung - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Bildhauer stand vor ihr, lächelte, und sein Blick durchdrang den ihren, doch gleichzeitig funkelte eine Idee in ihm, und seine Finger ruhten verschlagen auf den Lippen, wie bei einem Kind, das gerade einen Streich gespielt hatte.
    »Natürlich«, sagte er. »Wie überaus dumm von mir.«
    Cathy konnte nur benommen und verwirrt zurückstarren.
    »Die Fehlschüsse, die leere Pistole – das Schicksal hat Sie am Leben gelassen, Dr. Hildy. Verstehen Sie nicht? Sie sind dazu bestimmt zu verstehen, erweckt zu werden, denn nur die Hand des Bildhauers kann die Figuren befreien, die im Stein schlafen.«
    Und nach diesen Worten stürzte er sich auf sie.
48
    C athy erwachte durch ein Summen und durch ein Geräusch von Fingern, die auf einer Tastatur klapperten. Sie sah nur verschwommen, aber sie konnte etwas Rechteckiges ausmachen, das über ihr schwebte – das Licht, das von rechts kam, betonte die Ränder des Dings. Ihr Hals schmerzte, und Rücken und Gesäß lagen auf einer kalten Stahloberfläche auf.
    Dann erinnerte sich Cathy.
    Der Ringergriff, die Art, wie der Bildhauer sie zu Fall gebracht hatte, als sie versuchte, an ihm vorbeizurennen, wie er ihr die Arme um den Hals geschlungen und von hinten zugedrückt hatte – Good Night, Irene, hatte es Steve immer genannt, wenn sie auf dem Bett herumalberten. Aber bei Steve hatte es nie dieses Erstickungsgefühl gegeben, keinen schwarz ausgekleideten Raum voller weißer Arme und Beine, Köpfe und Torsi, der himmelwärts stürzte und rot wurde und dann in Schneegriesel ausbrach wie der Kanal eines alten Fernsehers.
    Jetzt begriff Cathy.
    Sie war nackt und lag auf dem Rücken, ihr Kopf war fixiert, und sie starrte auf einen Videomonitor. Arme und Beine waren bewegungsunfähig, an einen stählernen Tisch geschnallt. Und jetzt wusste Cathy auch, wo sie war: Sie lag auf genau dem Tisch, den sie auf der DVD des Michelangelo-Mörders gesehen hatte, auf genau dem Tisch, auf dem sie ihren Mann in Todesangst hatte schreien sehen, ehe er zu einem Teil der Pietà des Bildhauers wurde.
    Die Pietà .
    Während Cathy an das Schicksal ihres Mannes dachte – das auch sie erwartete, wie sie wusste –, jagten gleichzeitig alle Theorien, alle Informationen durch ihren Kopf, die sie und Sam Markham in den Wochen seit ihrer ersten gemeinsamen Fahrt nach Watch Hill zusammengetragen hatten.
    Sam , schrie eine Stimme in ihrem Kopf. Wo ist Sam?
    Psst , erwiderte eine zweite Stimme . Bleib ruhig. Darüber kannst du dir später den Kopf zerbrechen.
    Die Pietà , wiederholte sich Cathy wieder und wieder inmitten ihrer wachsenden Panik. Sam wusste, dass die Antwort in der Pietà lag – in ihrer Interpretation durch den Michelangelo-Mörder mithilfe von Die im Stein schlafen.
    Ja, Cathy brauchte Zeit, um nachzudenken, sie musste ruhig bleiben, musste sich auf den Augenblick konzentrieren. Auch wenn sie den Kopf nicht drehen konnte, wusste sie, dass der Bildhauer in der Nähe war. Sie konnte ihn summen hören, das Klickedi-klickedi-klack seines Tippens ein Stück rechts von ihr.
    Die Pietà . Sam hatte recht. Die Pietà war sein erstes Werk – alles drehte sich um sie. Alles fing an mit der Pietà .
    Klickedi-klickedi-klack.
    Sam war überzeugt, auf der richtigen Spur zu sein – er wusste, er war nahe dran, den Schlüssel zum Denken des Bildhauers zu finden. Das Geheimnis lag in dem Grund, warum sich Michelangelo entschieden hatte, seine Jungfrau Maria als junge Mutter darzustellen. Dantes Göttliche Komödie, Canto 33 aus Paradiso. »Jungfräuliche Mutter, Tochter deines Sohns.« Der immanente Widerspruch der Heiligen Dreifaltigkeit, ihr »inzestuöser« Kontext; die unreine, fast nicht begreifbare parallele Dreieinigkeit – die Beziehung Vater-Tochter/Mutter-Sohn/Mann-Frau. Diese entstellte Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem Sohn.
    Klickedi-klickedi-klack.
    Mutter und Sohn, Mutter und Sohn, Mutter und Sohn …
    Klickedi-klickedi-klack.
    Der Name des Sohns ist Christian. Christian. Christ. O mein Gott. Christ.
    Klickedi-klickedi-klack.
    War das möglich? Konnte es sein, dass er sich selbst als Christus sieht – das heißt, dass er die Beziehung zu seiner Mutter durch die Pietà sieht? Die parallele Dreieinigkeit? Eine Art verdrehte Beziehung zwischen Mutter und Sohn? Inzestuös? Spiritueller, auf das Jenseits gerichteter Inzest, wie in Die im Stein schlafen definiert? Konnte es sein?
    Klickedi-klickedi-klack.
    Sam sagte, die Mutter sei verstorben, oder? War ihr Name Maria? Ist es

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