Vollendung - Thriller
säße sie in einem Kino, sah Cathy, wie sich die Szene vor ihr abspulte. Sie blickte auf den Bildhauer, wie er die Riemen über ihrem Kopf und den Füßen löste. Und als er neben ihr auf dem Tisch saß, als er den Riemen über ihrer Brust öffnete, sah Cathy benommen und erstaunt, wie sie sich auf dem Bestattertisch aufsetzte und den Bildhauer in ihre Arme nahm.
Der Bildhauer lag quer über ihrem Schoß – er schloss die Augen und nuckelte an ihrer Brust, während er ihre Hand zu seiner Leiste dirigierte.
»Tut es Mommy leid?«, murmelte der Bildhauer. »Liebt mich Mommy jetzt wieder?«
»Ja, mein Christian«, stieß Cathy hervor; der Damm ihres Willens, der Damm, der sie vom Wahnsinn trennte, war kurz davor zu brechen. »Es tut Mommy sehr, sehr leid, aber vergiss nie, dass Mommy dich liebt.«
Angst und Ekel wallten in Cathy neuerlich auf, als sich ihre linke Hand um das Glied des Bildhauers schloss, während die rechte nach der Infusionsnadel tastete. Ohne nachzudenken, ohne innezuhalten, stieß sie den kurzen stählernen Dorn mit voller Wucht in das Auge des Bildhauers. Sie hörte ein feuchtes Plop und spürte, wie sein Penis erschlaffte, er schrie auf, seine Hände flogen ans Gesicht, und er schnellte von ihrem Schoß wie ein Fisch.
Cathy sprang von dem Tisch herunter. Der Bildhauer wälzte sich unmittelbar vor ihr auf dem Boden, seine Schreie wurden von den Wänden ringsum verschluckt. Trotz ihrer Panik konnte Cathy nicht umhin, den Computerschirm zu bemerken. Sie hielt jedoch nicht inne, als sie die Gestalt von Michelangelos Morgendämmerung in der Schwärze treiben sah wie eine Leiche im Meer. Stattdessen ging sie zur Videokamera des Bildhauers, griff nach dem dreibeinigen Stativ und ließ es wie eine Keule auf den Hinterkopf des Bildhauers niedersausen, als er sich auf die Knie erhob. Der Bildhauer hatte eine Hand am Auge, das Blut sprudelte zwischen den Fingern hervor, und mit der freien Hand fing er seinen Sturz ab. Einen Moment lang verharrte er benommen auf den Knien und starrte zu Boden. Doch als Cathy erneut mit dem Stativ ausholte, trat er überraschend mit einem Bein aus wie ein Maulesel, schlug ihr die Videokamera aus der Hand und ließ Cathy gegen den Bestattertisch fliegen. Der Tisch gab unter ihrem Gewicht nach, schaukelte an seinen Ketten zurück, und Cathy stürzte rückwärts ins Leere.
In der halben Sekunde, die sie brauchte, um auf dem Betonboden aufzuschlagen, begriff Cathy, was passiert war – sie erinnerte sich nur zu gut, wie der Tisch auf der DVD ausgesehen hatte, und wusste, dass sie durch eine Falltür darunter gestürzt war. Unmittelbar darauf krachte Cathy in das untere Stockwerk des Bildhauerateliers – ihr linker Knöchel knickte mit einem scharfen Schmerz um. Cathy heulte auf und taumelte gegen den Transporter, von wo sie in einen Stapel Plastikfolie prallte. Hier unten war Licht, es kam von einem kleinen Schwarz-Weiß-Monitor auf dem Zeichentisch.
Und dann war da der Geruch . Der kräftige Geruch nach …
Nagellackentferner?
Cathy hatte keine Zeit nachzudenken. Sie hörte den Bildhauer über ihr umherhuschen. Sie schrie und stolperte zum Garagentor, versuchte, es an seinem Griff aufzudrücken, aber es ließ sich nicht bewegen.
»Hilfe!«, schrie sie. »Helft mir!« Wie eine Ratte im Käfig lief sie im Zickzack zur Rückwand des Ateliers, fand auch dort keinen Ausgang und brach am Rand der Edelstahlwanne zusammen. Der Geruch nach Nagellackentferner war hier stärker; er kam aus dem Innern der Wanne, die aussah wie ein verchromter Sarg.
Die Chemikalien für die Plastination, dachte Cathy. Das Aceton.
Cathy erspähte eine Tasse am Rand der Spüle und humpelte darauf zu. Sie war eben zur Wanne zurückgekehrt, als die Beine des Bildhauers in der Falltür erschienen. Cathy stieß den Deckel der Wanne auf und tauchte die Tasse in die kalte, beißende Flüssigkeit. Sie zog sie schnell wieder heraus und versteckte sie hinter dem Körper, während sie sich neben die Wanne kauerte und das Gesicht ihrem Angreifer zuwandte. Ihr Blick begegnete dem des Bildhauers, als er auf dem Boden landete. Er stand nur da und sah sie eine scheinbare Ewigkeit lang an – sein gesundes Auge blinzelte roboterhaft, während das Blut aus der breiigen Höhle des anderen tropfte.
Dann begann der Bildhauer zu kichern.
Trotz ihrer Angst erspähte Cathy aus den Augenwinkeln das Leuchten des Garagentorknopfs links von ihr – es waren sogar zwei , auf der anderen Seite des Transporters, neben
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