Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vollendung - Thriller

Vollendung - Thriller

Titel: Vollendung - Thriller
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
wieder allein, und als Special Agent Sam Markham schließlich zu ihr sprach, war Cathy Hildebrant zumute, als wäre sie bei einem dieser hölzern gespielten Fernsehkrimis unterbrochen worden, in denen es von Leichen nur so wimmelte und die sie zu ihrer eigenen Verlegenheit in letzter Zeit so leidenschaftlich verfolgte. Selbst als sie Markhams Stimme hörte, selbst als sie die Ampel erkannte, an der sie hielten, war Cathy nur vage und wie von fern bewusst, dass der Film, den sie während der schweigsamen zwanzig Minuten Rückfahrt von Watch Hill vor ihrem geistigen Auge gesehen hatte, echt war, und dass sie wider Willen der Star dieses Films war.
    »Waren Sie mal dort?«, fragte Markham.
    »Verzeihung, was haben Sie gesagt?«
    »An der University of Rhode Island. Da war gerade ein Wegweiser dorthin, kurz vor der Ampel. Sie schienen ihm mit dem Blick zu folgen.«
    »Tut mir leid, mir war nicht klar, dass ich darauf geschaut habe.«
    »In Collegenähe kann ein Starbucks nicht weit sein. Hätten Sie gern einen Kaffee? Soll ich im Navi nachsehen?«
    »Nein danke.«
    Die Ampel schaltete auf Grün, und Markham fuhr weiter.
    »Ja«, sagte Cathy nach einer Weile.
    »Sie haben es sich anders überlegt?«
    »Nein, ich meinte, ja, ich war an der University of Rhode Island. Nur einmal. Zu einem Gastvortrag vor ein paar Jahren, als mein Buch herauskam.«
    »Hatten Sie viele Anfragen für Vorträge? Als Ihr Buch herauskam, meine ich?« Der FB I -Agent unternahm keinen Versuch zu verhehlen, dass er nach einer weiteren möglichen Verbindung zwischen Dr. Catherine Hildebrant und dem Mörder suchte. Und mit einem Mal stürzten die Ereignisse der letzten Stunden mit ihrem ganzen Gewicht, ihrer ganzen Realität auf sie ein; Tränen schossen ihr in die Augen.
    »Es tut mir leid«, sagte Markham. Cathy schluckte schwer und sah wieder aus dem Fenster. Ein langes, unbehagliches Schweigen folgte.
    »Ist fast fünfzehn Jahre her, seit ich zuletzt dort war«, sagte Markham schließlich. »An der URI , meine ich. Kann mich eigentlich kaum noch daran erinnern. Genau wie Sie war ich nur einmal da. Mit meiner Frau, zum Semesterfest im Herbst. Sie hatte Ozeanografie dort studiert und mochte die Uni wirklich sehr – ich selbst fand sie nicht so toll, das Footballstadion kam mir ein bisschen mickrig vor. Der Studiengang Ozeanografie soll seinerseits ziemlich gut gewesen sein, keine Ahnung, wie es heute aussieht. In fünfzehn Jahren kann viel passieren.«
    Cathy merkte plötzlich, dass sich der FB I -Agent entschieden hatte, den längeren Weg zurück nach Providence zu nehmen – die Route 1 statt der I 95 –, und was Cathys Tränen noch mehr versiegen ließ als die Aufrichtigkeit seines Small-Talk-Versuchs, seine Preisgabe persönlicher Dinge, war sein Tonfall: Der war zum ersten Mal an diesem Tag zögernd und verlegen, es war ein Tonfall, der ihn zum ersten Mal wie einen Menschen wirken ließ.
    »Ein interessantes Gespann«, sagte Cathy und war beim Klang ihrer Stimme selbst überrascht, wie begierig sie darauf war, über etwas anderes als die Geschehnisse des Tages zu reden. »Wie kommt ein FB I -Agent zu einer Ozeanografin als Ehefrau?«
    »Ich war damals noch nicht beim FBI . Ich war Englischlehrer an der Highschool, als ich meine Frau kennengelernt habe.«
    »Aha. Das erklärt es also.«
    »Erklärt was?«
    »Das Sonett.«
    »Das Sonett?«
    »Ja. Ich fand, dass Ihre Analyse des Michelangelo-Gedichts selbst für einen Profiler des FBI ein wenig zu belesen, zu einsichtsvoll klang.«
    Der Agent nickte – spielerisch und übertrieben bewundernd.
    »Ich hätte es mir schon denken können, als Sie bei der Fahrt nach Watch Hill fragten, ob das Sonett, das ich erhalten habe, nummeriert war wie die Shakespeare’schen Sonette«, sagte Cathy.
    »Nichtsdestoweniger eine bewundernswerte Analyse der Sachlage, Dr. Hildebrant«, sagte Markham und lächelte.
    Cathy erwiderte sein Lächeln.
    »Ich muss zugeben«, fuhr Markham fort, »ich schäme mich ein wenig, weil ich nichts von Michelangelos Gedichten wusste. Vielleicht wusste ich es früher einmal – viel früher. Aber inzwischen bin ich seit fast dreizehn Jahren beim FBI , und man vergisst wahrscheinlich das meiste von diesem Zeug, wenn man sich nicht mehr damit beschäftigt.«
    »Man vergisst es sogar, wenn man sich damit beschäftigt. Jedenfalls war es bei mir ab dreißig so.«
    »Mit vierzig wird es nicht besser.«
    »Die sieht man Ihnen gar nicht an.«
    »Ich hab noch vier Monate.«
    »Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher