Vollendung - Thriller
Cat. Du musst dich zusammenreißen. Ich bin mit meinem Latein am Ende mit dir. Das ist nicht gut für uns. Du musst versuchen, darüber hinwegzukommen. Das Leben geht weiter. Für uns, Cat. Für uns.«
Es war weniger das, was ihr rückgratloser Möchtegernehemann gesagt hatte, was Cathy immer noch störte, es war mehr, dass sie mit ihrem Harvardstudium und ihrem Doktortitel – als die vielleicht erste Expertin für Michelangelo in der Welt – tatsächlich auf seinen Egoismus hereingefallen war. Ja, was Cathys Blut bei der Erinnerung daran jetzt hier in dem Trailblazer wirklich in Wallung brachte, war die Tatsache, dass sie in dem Moment, in dem ihr Mann für sie hätte da sein sollen, tatsächlich ihr Trauern aufgab, um sich um ihn zu kümmern – nicht weil er sie brauchte, sondern weil sie Angst hatte, ihn zu verlieren.
Das war der Anfang vom Ende. Damals hätte ich dem selbstsüchtigen Arschloch auf der Stelle den Laufpass geben sollen.
»Darf ich fragen, wie es passiert ist?«
»Er hat mich betrogen. Mit einer seiner Studentinnen.«
»Verzeihung – aber ich meinte Ihre Mutter.«
»Ach so«, sagte Cathy peinlich berührt. »Sie müssen verzeihen – meine Gedanken gehen in tausend Richtungen gleichzeitig. Es war Brustkrebs. Sie hat jahrelang dagegen gekämpft, aber am Ende ging es dann sehr schnell. Man könnte sagen, in dieser Beziehung hat sie Glück gehabt. Wussten Sie, dass den Statistiken zufolge koreanische Frauen eine der niedrigsten Brustkrebsraten in den Vereinigten Staaten haben? Irgendwie hat es wohl nie jemand meiner Mutter gesagt.«
»Das tut mir leid, Cathy.«
»Danke.« Cathy lächelte, da sie wusste, dass es Markham aufrichtig meinte. »Jedenfalls war Janet diejenige, die mir wirklich half, die ganze Sache durchzustehen – von der ersten Diagnose bei meiner Mutter bis zum Ende – und danach, natürlich. Sie half mir, bei der Stange zu bleiben, damit das Buch veröffentlicht werden konnte, damit ich einen festen Lehrauftrag bekam und alles. Schon bevor alles passierte, kam sie mir immer wie eine Art zweite Mutter vor.«
»Und was ist mit Ihrem Vater?«
»Ein Militär im Ruhestand. Armee. Lebt mit seiner zweiten Frau irgendwo in North Carolina – die Frau, mit der er meine Mutter betrog. Sie ließen sich scheiden, als ich in der dritten Klasse war – er und meine Mutter, meine ich –, und wir zogen unmittelbar danach nach Rhode Island.«
»Sie sind also hier in der Gegend aufgewachsen?«
»Seit der dritten Klasse, ja. Meine Mutter hatte einen Cousin, der in Cranston lebte, er half uns, hier sesshaft zu werden, und sie machte schließlich eine Computerausbildung. Wir beide hatten ein hübsches Auskommen durch ihre Arbeit. Vorher zog ich durch die Welt wie die typische Army-Göre. Wir waren in Italien stationiert, in der Nähe von Pisa, als mein Vater seine zweite Frau kennenlernte. Sie war ebenfalls bei der Armee. Nach dem ganzen Drama ließen meine Mutter und ich uns wieder in den Vereinigten Staaten nieder.«
»Italien. Lassen Sie mich raten. Dort wurde Ihr Interesse an Michelangelo geweckt?«
»Ja. Meine Mutter war erst achtzehn, als sie meinen Vater heiratete – sie hat ihn kennengelernt, als er in Korea stationiert war. Von klein auf hatte sie Künstlerin werden wollen, aber damals hatten es koreanische Mädchen nicht leicht. Und da sie eine von fünf Schwestern war – na ja, ihre Eltern waren mehr als glücklich, sie an einen amerikanischen Soldaten verheiraten zu können. Jedenfalls hat sie mich, soweit ich zurückdenken kann – und wahrscheinlich seit meiner Geburt – überall, wo wir stationiert waren, in die örtlichen Museen mitgenommen. Und während der beiden Jahre, in denen wir in Italien stationiert waren – tja, Sie können sich ja denken, wie viel Zeit wir miteinander hatten. Ich kann mich kaum noch an unseren ersten Ausflug nach Florenz erinnern, aber meinte Mutter sagte immer, als ich Michelangelos David zum ersten Mal sah, begann ich tatsächlich zu weinen – sie meinte, ich hielt ihn für einen echten Mann, einen Riesen , der in Eis erstarrt war, und ich hätte aus Mitleid mit ihm geweint.«
Markham lachte.
»Es war lustiger, wenn sie es erzählt hat. Sie war eine wunderbare Frau, meine Mutter – sehr klug, sehr geistreich. Hat auch nie mehr geheiratet, war nur noch für ihre Tochter da. Als sie starb, war sie erst zweiundfünfzig.«
»Es tut mir wirklich sehr leid, Cathy.«
»Ich weiß.«
»Und Ihr Vater?«, fragte Markham nach
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