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Vollendung - Thriller

Vollendung - Thriller

Titel: Vollendung - Thriller
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Raum mit ihm –, und genau wie es sich für Tommy Campbell materialisiert hatte, sah der Bildhauer eine Sekunde später, worauf er gewartet hatte: eine Statue, schmutzig weiß vor schwarzem Hintergrund, sodass sie nur Zentimeter über seinem Gesicht zu schweben schien. Während für Tommy Campbell jedoch Michelangelos Bacchus aus der Dunkelheit aufgetaucht war, hatte der Bildhauer nun seinen Bacchus vor sich, seine eigene Schöpfung. Und als die marmorweiße Plastik des Wide Receivers und seines Satyr-Begleiters zu rotieren begann, empfand der Bildhauer, anders als sein Vorgänger auf dem Leichenbestattertisch, nicht die geringste Furcht.
    Nein, in den drei Monaten, seit er Tommy Campbell das Leben genommen hatte – und vor allem in den letzten Wochen – hatte der Bildhauer diese Position häufig eingenommen.
    Der Bildhauer begann seinen Penis zu streicheln – hart, aber langsam zunächst, so wie er es gelernt hatte, damit der zeitliche Ablauf perfekt stimmte. Und genau wie es Michelangelos Bacchus bei Tommy Campbell getan hatte, verwandelte sich das Bild vor ihm plötzlich in eine Nahaufnahme vom Kopf der Statue; die Trauben, die Blätter, das gelockte Haar, die das betrunkene Gesicht des Wide Receivers umgaben, ein weiß leuchtendes Gesicht mit leeren Porzellanaugen und einem halb geöffneten Mund. Die Kamera schwenkte nun abwärts über Tommy Campbells Brust, über seinen aufgedunsenen Bauch und schließlich zu seiner Leiste – zu der Stelle, wo der Bildhauer vorsichtig den Penis des jungen Mannes entfernt hatte.
    Und durch eine glückliche Fügung im zeitlichen Ablauf, einen beinahe göttlichen Zufall, der dem Bildhauer nicht entging, wechselte der alles einhüllende Klang von Scarlattis Sonate in d-Moll genau in dem Moment in die Sonate in e über, in dem sich auch das Bild auf dem Schirm in etwas anderes verwandelte. Nun war es nur noch das an den Tisch fixierte Gesicht von Tommy Campbell, gefilmt mit einer zweiten, feststehenden Kamera, die der Bildhauer neben dem Bestattertisch angebracht hatte.
    » Pop, bist du da? Bin ich auf der Veranda gestürzt? Haben sie mich in einen Streckverband gepackt oder was?«
    Erneut tauchte der verwirrte Ausdruck auf dem Gesicht des Rebel-Stars auf, als das Video über seinem Kopf anfing, als er zu begreifen versuchte, was er da in der Dunkelheit sah. Der Bildhauer konzentrierte seine Aufmerksamkeit automatisch auf Campbells Hals – er hatte im Lauf der letzten Monate gelernt, seine Halsschlagader zu beobachten, um das Streicheln seines Penis in denselben Takt wie den Herzschlag des jungen Mannes zu bringen. Er behielt einen gleichmäßigen Rhythmus bei, imitierte Campbells Puls, während der Wide Receiver das Bild von Michelangelos Bacchus über seinem Kopf rotieren und sich verändern sah.
    » So ist es gut«, hörte sich der Bildhauer aus dem Off sagen. » Schüttle ab deinen Schlaf, o Sohn des Jupiter. «
    Das Herz des Bildhauers setzte buchstäblich einen Schlag aus, als er sah, wie Tommy Campbell den Kopf zu drehen versuchte, er spürte, wie sich seine Eingeweide freudig zusammenzogen, als er an seinem Hals sah, wie das Herz des jungen Mannes schneller zu schlagen begann.
    » Wer sind Sie? Was tue ich hier?«
    Die Atmung des Bildhauers beschleunigte sich, als er beobachtete, wie Campbell in Panik geriet, als er ihn an seinen Riemen zerren sah. Der Bildhauer wusste, dass sich das Bild über dem muskelbepackten Footballspieler wieder bewegte, über die Brust und den Bauch des Bacchus zu seiner unbehaarten Leiste schwenkte – zu der Stelle, wo sein Penis hätte sein müssen.
    » Was zum Teufel ist hier los?«
    Der Bildhauer erhöhte das Tempo und die Intensität seines Streichelns, und er hielt nicht inne an der Stelle des Videos, an der sich das Bild über Campbell erneut änderte, als der junge Mann schließlich sich selbst sah, mit den Trauben und den Weinblättern, die sich um sein Gesicht rankten.
    » Was zum Teufel ist …«
    Und während Tommy Campbell auf dem Schirm über ihm heftig zu zittern begann, brachte der Bildhauer das kräftige Auf und Ab seiner Handbewegungen endlich in Einklang mit dem Herzschlag seines Bacchus .
    » Das kann unmöglich passieren. Das muss ein Traum sein!«
    »Nein, mein Bacchus . Du bist endlich wach.«
    Und wie er es schon viele Male zuvor getan hatte, verschaffte sich der Bildhauer einmal mehr in genau dem Moment Erleichterung, in dem sein Bacchus in der Dunkelheit ihrer Gemeinschaft Erlösung fand.
10
    D ie beiden waren
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