Vollendung - Thriller
wurde es offiziell entschieden, ja. Aber bevor wir darüber sprechen, lassen Sie mich kurz ein wenig ausholen. Sie müssen wissen, angesichts der kleinen Zahl von männlichen Studenten im ursprünglichen Kreis der Verdächtigen, brauchte Sullivans Truppe nicht lange, den Aufenthaltsort Ihrer früheren Studenten zu ermitteln, von denen die meisten inzwischen in einem anderen Bundesstaat leben. Serienmörder, vor allem der Typ, der seine Opfer über längere Zeit bei sich behält, neigen fast immer dazu, ihre Beute in einem relativ kleinen Gebiet nicht weit von ihrem Wohnort zu jagen. Wenn wir die Entfernung zwischen den Orten berücksichtigen, an denen Tommy Campbell und Michael Wenick entführt wurden, verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Zuhause des Täters außerhalb des jeweiligen Gebiets liegt, exponentiell in jede Richtung, je weiter wir nach Massachusetts oder Connecticut hineinkommen. Verstanden?«
»Ja. Weil die Morde an Campbell und Wenick in Westerly und Cranston stattfanden – Orte, die fast an entgegengesetzten Enden von Rhode Island liegen.«
»Genau wie die Tötung der Ziege.«
»Natürlich. Sie sagten, die Ziege sei von einer Farm in Burrillville gestohlen worden, was noch weiter entfernt von Watch Hill liegt – fast in der Nordwestecke des Bundesstaats.«
»Richtig. Wir haben also drei Tatorte, von denen aus wir den möglichen Wohnort des Michelangelo-Mörders bestimmen können. Wenn wir die anonymen Mitteilungen mit einbeziehen, die Sie vor fünfeinhalb Jahren erhalten haben, kommen wir sogar auf einen vierten Ort. Wenn wir das Zuhause des Michelangelo-Mörders in der Mitte dieser vier Punkte ansetzen, dann würde es etwa südlich von Providence liegen – näher an Providence und der Brown University, wenn wir davon ausgehen, dass Serienmörder dieses sesshaften Typs, zu denen der Michelangelo-Mörder ohne Frage gehört, meistens zuerst in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aktiv werden – in diesem Fall mit den Mitteilungen.«
»Sie meinen, es ist, als würden sie mit der Zeit mutiger werden? So wie ein Tier, das sich auf der Suche nach Nahrung immer weiter von seinem Bau fortwagt?«
»Genau das meine ich, ja. Das Bedürfnis nach Nahrung, wenn ich Ihre Analogie aufgreifen darf, beginnt das Risiko ihrer Beschaffung zu übersteigen. Serienmörder haben eine Wohlfühlzone, in der sie gern arbeiten, wie andere Leute auch. Deshalb wird es häufig umso leichter für uns, sie zu fassen, je weiter sie sich von dieser Wohlfühlzone entfernen – deshalb sind es so oft ihre späteren Morde, die uns zu ihnen führen. Sie beginnen Fehler zu machen, werden schlampig, denn ihr Bedürfnis nach einem Opfer mindert oft ihre Angst vor dem Risiko, und so ist es dann genau dieses Risiko, das ihrem Treiben ein Ende setzt.«
»Aber was hat das alles mit Gabriel Banford zu tun?«
»Trotz Ihrer Behauptung, dass keiner Ihrer früheren Studenten das psychische und – noch wichtiger – körperliche Profil des Michelangelo-Mörders erfüllte, erweckte Gabriel Banford sofort Sullivans Interesse, als sie das Verzeichnis Ihrer Studenten durchging, da er in dem untersuchten Zeitraum von allen der einzige verstorbene war. Er schied damit automatisch als möglicher Verdächtiger aus, doch bei einer näheren Prüfung seiner Akte tat sich die Möglichkeit auf, dass er ein Opfer gewesen sein könnte – vielleicht das erste des Michelangelo-Mörders.«
»Aber wie kommen Sie zu diesem Schluss? Sein Tod war ganz anders als der von Campbell und Wenick.«
»Die Akte über Banford malt ein ziemlich trauriges Bild von dem Jungen – intelligent, aus einer halbwegs wohlhabenden New Yorker Familie, aber psychisch gestört, in Therapie, seit er elf war und entfremdet von den Eltern. Ein typisches Beispiel für die Art Kinder, bei denen auf jedes Problem mit einer neuen Pille reagiert wird – die Ritalin-Generation. Werfen Sie ein paar Paxil und Zoloft ein, und Sie bekommen eine gute Vorstellung davon, welches Gebräu in Banfords Kopf vor sich hin köchelte. Um es kurz zu machen, bevor Banford die Designschule schmiss, ließ er sich mit einer Gruppe vorbestrafter Intellektuellen-Typen ein, die nicht nur regelmäßig einen Schwulenclub namens Series X im Zentrum von Providence besuchten, sondern sich auch mit Freizeitdrogen beschäftigten – Marihuana und Kokain hauptsächlich, aber manchmal schnupften sie auch Heroin und Halluzinogene. Der Polizeibericht in Banfords Akte enthält eine Reihe von Aussagen
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