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Vollendung - Thriller

Vollendung - Thriller

Titel: Vollendung - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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hinunterwanderte. Er zerrte noch heftiger, als er den Gurt über seiner Brust bemerkte und sah, wie die Wunde in seiner Seite aufplatzte und das Blut über seinen Rippenbogen lief. Instinktiv hörte er auf. Kein Schmerz, aber die Empfindung von etwas Warmem, Feuchtem an seinen Händen. Und deshalb wusste er bereits, bevor die Kamera sie erreichte, was er sehen würde. Er begann zu weinen.
    »Bitte, lieber Gott«, sagte er – beim Anblick der klaffenden Löcher in seinen Handrücken wurde ihm übel. »Tu mir das nicht an, bitte! Ich werde mich bessern. Ich verspreche es! Ich will nicht sterben, ich will nach Hause. Ich verspreche es, lieber Gott.«
    Paul begann krampfartig zu zucken – der Stoff und die Angst, die durch seine Adern pulsierten, waren jetzt ein und dasselbe. Seine Augen fühlten sich an, als wollten sie herausspringen. Er versuchte, sie zu schließen, sie in ihren Höhlen zu halten, aber eine unsichtbare Berührung von hinten vereitelte es.
    »Schau weiter«, sagte Chris, und seine Finger ruhten sanft auf Pauls Augenlidern und ließen sie nicht zufallen. »Sieh weiter zu, und du wirst verstehen. Sieh weiter zu, und du wirst frei sein.«
    Das Bild auf dem Schirm war auf Pauls Füßen zum Stillstand gekommen – sie zuckten und bluteten heftig von den Löchern, die der Bildhauer in sie gestochen hatte. Paul versuchte, seinen Kopf zu drehen, wegzusehen von den entsetzlichen Dingen, die ihm angetan worden waren, aber die Tränen in seinen Augen schienen das Bild nur schärfer zu machen.
    »Bitte, lieber Gott, ich will nicht zur Hölle fahren …«
    Und als sich sein Herz in einer letzten Woge Adrenalin erschöpfte, entflog seine Seele auf den Schwingen eines letzten Gedankens: Niemand kennt meinen Namen.
22
    U nter Tränen schloss Cathy Hildebrant ihren Laptop und schaltete die Nachttischlampe aus. Es war spät, und sie war müde. Übermüdet , dachte sie, und vielleicht auch in einem etwas übersteigerten Gefühlszustand. Doch trotz des aufmunternden Zuspruchs ihrer rationaleren Seite war Cathy zutiefst verstört, als sie den Bericht vom Begräbnis Tommy Campbells online im Providence-Journal gelesen hatte. Nicht, weil sie so gerührt von dem Umstand gewesen war, dass das gesamte Team der Rebels zu der privaten Trauerfeier in Westerly eingeflogen war. Nicht, weil die zitierte Zeile aus der Lobrede von Campbells bestem Freund aus Kindertagen sie so bewegt hatte: » Als Sportler gewann er Spiele, als Mensch gewann er Herzen.« Nein, was Cathy zu Tränen getrieben hatte, waren die beiden Zeilen am Ende des Artikels – eine kleine Anmerkung, fast als wäre sie dem Autor erst nachträglich eingefallen: dass man nämlich am Sonntagmorgen auch in Cranston eine kleine, private Trauerfeier abgehalten hatte.
    Und so weinte sich Cathy mit Gedanken an Michael Wenick in den Schlaf – und eine bohrende Stimme in ihrem Hinterkopf fragte, ob der Michelangelo-Mörder den Artikel nicht ebenfalls gelesen hatte; eine Stimme, die sie verhöhnte – Siehst du? Er hat recht gehabt!  – und die zugleich schrie: Schande über dich, Welt, weil du den Satyr hinter dem Bacchus nicht siehst! Doch Cathy sah den Satyr – sie konnte nicht daran denken, wie die Wenicks in der Kirche St. Markus saßen, ohne dieses verzerrte Gesicht, dieses ghulartige Grinsen zu sehen, mit dem er die gestohlenen Trauben mampfte. Ja, Cathy sah den Satyr nur zu gut, sie sah ihn so deutlich neben sich in der Dunkelheit des Polk’schen Gästezimmers schweben, als wäre sie mit einer Taschenlampe zu Michael Wenick in den Sarg gekrochen.
    Es war kurz nach Mitternacht, als Cathy aus dem Schlaf aufschreckte. Sie hatte von ihrer Mutter geträumt, und ihr Herz hämmerte immer noch von ihrer Jagd durch die Straßen, von dem Beinahe-Unfall mit diesem Lastwagen.
    Mom sollte mich von der Schule abholen, dachte Cathy. Aber sie ist einfach an mir vorbeigefahren, in diesem komischen, langen schwarzen Wagen. Jemand anderer saß am Steuer – sie hat aus dem Fenster zu mir herausgerufen. Ich wollte ihr nachlaufen, bin in den Verkehr hinausgerannt. Aber meine Beine waren zu schwer. Ich wäre von diesem Lastwagen getötet worden, wenn ich nicht aufgewacht wäre.
    Denn sooft Cathy auch an ihre Mutter dachte, sooft sie sie vermisste, sie träumte nur selten von ihr. Und sosehr sie ihre Erinnerungen an den Bacchus des Michelangelo-Mörders in Watch Hill fürchtete, die seit nunmehr zwei Wochen ihre nächtlichen Begleiter waren – dieser seltsame Albtraum nun

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