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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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Sekunde hoch zwei.
    Wenn man von einer Brücke plumpst, kommt einem das
    ziemlich schnell vor. Aber wenn man versucht, einer
    Kugel auszuweichen, bringt es nicht viel.
    Zum Glück kriegte Dolmacher an diesem Punkt einen
    Pfeil zwischen die kurzen Rippen; er ging sieben
    Zentimeter rein und blieb stecken. Dolmacher zuckte
    zusammen, als hätte ihm jemand einen Tritt verpaßt, aber er wußte offenbar nicht genau, um was es sich handelte.
    Er drehte sich um - der Pfeil knatterte gegen ein paar Birkenstämme -, trat ruhig und zielbewußt auf die
    Lichtung hinaus und nahm all das Wissen von den
    toxischen Bakterien mit, gespeichert in seiner
    ungeschützten Birne.
    Der Trenchcoat, der seine Stellung verlassen hatte, als Boone aufs Podium gestiegen war, war auf dem
    Rückweg. Dolmacher mähte ihn mit der Tazer-Pistole
    um, entkoordinierte sein Nervensystem und ließ ihn
    lautlos zappelnd auf dem Boden zurück. Verlangsamte
    nicht mal seinen Schritt. Stieg in den hinteren Reihen auf einen der Klappstühle, die fürs Publikum aufgestellt worden waren.
    »Das ist ein Science- fiction-Wahngebilde«, sagte Pleshy gerade. »Genmanipulierte Bakterien auf die Umwelt
    loszulassen - ich bitte Sie, das ist doch gesetzlich verboten!«
    Jim Grandfather nahm mir die Sicht, weil er sich vor mich schob und auf Dolmacher zielte. Der Pfe il zischte in dem Moment, in dem Dolmacher abdrückte, in seine
    linke Niere.
    Im Fernsehen ist es einfach verblüffend. Pleshy steht da und glotzt wie ein Stinktier, das sich auf die Autobahn verirrt hat. Seine Augen sind weit aufgerissen, seine Brillengläser blitzen im Scheinwerferlicht, Schweiß
    bricht durch den Puder auf seiner Stirn. Boone steht zwei Meter von ihm entfernt und redet ruhig und geduldig auf ihn ein wie eine Kindergärtnerin auf ein ungebärdiges Balg. Sie sprechen beide gleichzeitig über
    genmanipulierte Bakterien. Im Hintergrund herrscht
    zunehmende Unruhe, und plötzlich macht die Kamera
    einen besoffenen Schwenk. Das passiert justament, als Pleshy sagt: »Ich bitte Sie, das ist doch gesetzlich verboten!« Eine Sekunde lang ist alles trüb und grau, weil die Scheinwerfer nicht auf unseren Freund gerichtet sind, aber dann gleicht die Kameraelektronik das aus, und da haben wir Dolmacher, bleich und gerecht auf
    einem Klappstuhl stehend und gelassen auf Pleshy
    zielend.
    Wenn die TV-Leute auf dieser Kamera bleiben, kann
    man noch sehen, wie der Pfeil kommt. Wenn sie zur
    Kamera auf dem Podium gehen, sieht man, wie Pleshy
    ins Leere starrt - er hat Dolmacher überhaupt nicht bemerkt -, und man sieht, wie Boone, zunächst verwirrt, den Blick auf den Mann mit der Kanone einstellt. Er
    denkt eine Sekunde lang nach. Das ist das Erstaunliche: Man sieht, wie er nachdenkt. Dann tritt er vor und streckt Pleshy mit einem glatten Schlag nieder. Pleshy fällt um wie eine Blechente in der Schießbude, und Boone hebt fast triumphierend die Arme. Gerade als er sich
    Dolmacher zudreht, verschwindet sein Gesicht. An
    dessen Stelle tritt eine Eruption in Rot. Es spritzt überall hin - auf Pleshys Spickzettel, auf die Kameralinse, auf Pleshys albernen Plaidmantel.
    Zurück zur anderen Kamera, und wir sehen, wie sich
    Dolmacher, in dessen Oberkörper immer noch zwei
    Pfeile schlenkern, ergibt und von Trenchcoats
    überwältigt wird, so daß eigentlich nichts zu sehen ist.
    Dann wieder zum Podium, wo Boone blind
    umhertaumelt, beide Hände vors Gesicht geschlagen, und alle dort oben stehen mit dem Ausdruck des einsetzenden Schocks da, den man immer bei abgefilmten Mordszenen sieht - Augenbrauen wölben sich empor und rücken
    aneinander, Hände lösen sich von Hosennähten, Münder bilden ein großes rundes O, aber der Körper ist noch starr und kann noch nicht reagieren. Um Boone scheint es
    geschehen zu sein. Er ist völlig außer Kontrolle. Dann schüttelt er den Kopf, stützt sich auf einen Cop, der aufs Podium geklettert ist, um ihm zu helfen, und bittet ihn um ein Taschentuch. Eine Kugel voll roter Farbe hat ihn gerade ins Gesicht getroffen, und das Zeug brennt so hundsgemein in den Augen.

30
    Jim und ich drehten uns um und ergriffen die Flucht. Erst rannten wir in panischer Angst, aber als wir dann
    merkten, daß uns niemand verfolgte, fingen wir an zu hüpfen und zu springen, kreischten vor Vergnügen,
    lachten wie blöd, wie High-School-Kids, die gerade das Haus des Direktors mit faulen Eiern beworfen haben. Wir hatten es Pleshy gezeigt! Dafür hatten wir zwar
    Dolmacher verloren, und Gott allein

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