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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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es war so neblig.
    Das Zode wippte im Kielwasser der Cigarette hin und her wie ein Schaukelstuhl. Etwas Schweres rollte gegen
    meinen Fuß. Unser großer Elektronenblitz. Ich machte ihn an, als die Cigarette auch beim zweiten Versuch an mir vorbeisauste, hielt ihn über meinen Kopf wie einen Basketball und warf ihn rüber ins Cockpit.
    »Nicht aufgeben, Jungs!« brüllte ich. Das Licht blendete mich zwar auch, aber ich mußte nicht perfekt sehen
    können, um den Motor anzuwerfen. Sie schon, wenn sie auf mich schießen wollten.
    Zeit also für einen weiteren Versuch mit dem Motor.
    Diesmal machte ich's richtig, stellte den Drehgasgriff auf START und tat den Choke raus. Drei Züge am Startseil, und der Motor sprang an.
    Dann soff er ab. Ich tat den Choke wieder rein und zog noch mal am Startseil. Nach ein paar Sekunden lief der Motor wie eine Eins. Ich mußte mich vorbeugen, um auf Vorwärts zu schalten, und so kam es, daß ich aus dem Zode flog.
    Kleinhoffer und Dietrich hatten nicht in jeder Beziehung verloren. Während die schwarzen Punkte, die vor ihren Augen tanzten, allmählich verschwanden, konnten sie
    dicht an mir vorbeifahren und mich mit ihrer 1000-PS-Bugwelle durchschütteln. Der Erfo lg übertraf ihre
    kühnsten Erwartungen. Ich hatte das Zode in den
    Vorwärtsgang bekommen, aber mich, als ich rausfiel, am Drehgasgriff verheddert, und so war der Motor jetzt
    seitlich gekippt. Das Zode tuckerte in engen kleinen Kreisen, ein bißchen schneller, als ich schwimmen
    konnte. Die Cigarette kam wieder, und ich mußte davon ausgehen, daß der Typ mit der Kanone durch sein
    Nachtglas glotzte. Wenn das Wasser glatt gewesen wäre, hätte er mich sofort gesehen, aber heute abend war es Gott sei Dank ein bißchen kabbelig.
    Ich hatte ein Problem, das rasch gelöst werden mußte.
    Hatte den Hals und die Nase voll Wasser und wollte
    keine Aufmerksamkeit auf mich lenken, indem ich es
    aushustete und -rotzte. Also tauchte ich, prustete einen Teil davon weg und schluckte den Rest. Köstlich. Dann ging mir die Luft aus. Ich mußte nach oben und atmen.
    Jetzt hatte ich eine Chance. Das Zodiac bewegte sich in Spiralen auf mich zu. Ich machte mich klein, bemühte mich, wie eine Welle auszusehen, und paddelte mit
    Hundstappern dem Zode entgegen. Die Cigarette sauste derweil hin und her, um meinen Kopf mit ihren
    Propellern zu orten.
    Das ging vielleicht zehn Minuten. War schwer zu
    schätzen, weil ich mal nach Luft schnappte, mal
    versuchte, mich zu verstecken, die Tsunami-Wellen der Cigarette heil zu überstehen und näher an das Zode
    heranzukommen.
    Die Bugleine streifte mein Bein, und ich packte sie.
    Wenn ich sie hinter mir herdriften ließ, würde sie sich im Propeller verfangen. Welche nützlichen Tips hatte mir Artemis sonst noch gegeben? Geh's locker an und gib
    nicht gleich Vollgas. Dann nämlich würde das Zode
    hochschnellen, und ich würde erneut ins Wasser
    klatschen.
    Schließlich hatte ich den Bug direkt vor der Nase und wartete darauf, daß die Cigarette an mir vorbeischoß.
    Jetzt konnte ich mich in Windeseile hochziehen und ins Zode plumpsen. Theoretisch zumindest. Praktisch
    dauerte es etwas länger, und als ich auf allen vieren zum Motor kroch und aufblickte, mußte ich feststellen, daß die Cigarette parallel zu mir fuhr und die Tazer-Pistole auf mich gerichtet war.
    Sie machte kein Geräusch. Ich merkte nicht mal, daß ich getroffen war, bis ich ein heißes Kribbeln am Ärmel
    meines Tauchanzugs spürte. Das war alles.
    »Ihr Arschlöcher!« schrie ich. »Das ist ein
    Gummianzug!«
    Artemis wäre stolz auf mich gewesen: Ich gab langsam Gas, lag ruhig im Wasser. Dann legte ich einen Zacken zu und sauste am Bug der Cigarette vorbei. Es war
    kabbelig, wie gesagt, aber nicht allzusehr, und ich strebte dem Zodiac-Nirwana entgegen: das Boot praktisch
    abgehoben bis auf die Schraube. Bei diesem Tempo hätte das Wasser auch Asphalt sein können. Die Cigarette
    durchpflügt es, das Zodiac brettert darüber - als würde es von vierzig tollwütigen Mustangs gezogen.
    Wenn ich es schaffte, aus der Dorchester Bay
    rauszukommen und weiter zum Castle Island Park,
    konnte ich direkt die City ansteuern. Dann würde ich einen schmalen Kanal kreuzen, am Gelände der Navy
    vorbeifahren und anschließend die Piers von South
    Boston passieren. Der schwierigste Teil war der erste, weil ich da keine Deckung hatte, aber als mich die
    Cigarette einholte, hatte ich die Hälfte der Strecke schon hinter mir. Sie fuhren mir ohne Lichter

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