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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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jetzt wie ein richtiger Kerl. Wir fuhren zur Soldiers Field Road, parkten auf dem Streifen Gras am Fluß und ho lten die Tanks und den Motor des Zodiacs rauf. Wir deponierten sie im Wagen, taten das Zode aufs Dach und zurrten es fest. Dann gingen wir ins IHOP und bestellten Kaffee zum Mitnehmen. Dann
    drehten wir die Stereoanlage auf und machten uns auf den Weg zum Abtauchen in die Kloaken.
    Für mich war das nichts Neues. Setzt mich in die
    Kanalisation, und ich bin in meinem Element. Die
    Tendenz von Bostons Sielen, direkt in den Hafen
    überzulaufen, kaum daß mehr als drei Tropfen Regen
    fallen, macht sie ideal für Firmen, die ihre Schadstoffe loswerden und sich die Peinlichkeit eines
    medienwirksamen Abflußrohres ersparen wollen.
    Manchmal entdeckte ich, daß etwas Übles aus den
    Notauslässen kam, und dann mußte ich auf solche
    Expeditionen gehen. Bart kannte das schon.
    Das Prinzip ist ganz einfach. Wenn Gift aus einem
    Notauslaß kommt, kann man es bis zur Quelle
    zurückverfolgen. Es ist hilfreich, wenn man einen
    Kanalisationsplan hat, der zeigt, wo welche Siele
    münden. Ich sehe mir einen Notauslaß auf dem
    Kanalisationsplan an und weiß, welchen Bereich er
    entwässert. Wenn ich in diesem Bereich bin, sagt mir mein Plan, wo die wichtigsten Einstiegsschächte sind, und wenn ich in denen Proben ziehe, kann ich noch
    genauer eingrenzen, woher das Gift kommt.
    Außer einem Kanaldeckelheber braucht man noch einen
    schnellen, einfachen Test zum Nachweis des Gifts, das man sucht. Am besten einen Test, den man gleich im
    Wagen machen kann. Ich hatte so was für organische
    Chlorverbindungen, einen kompletten Test in kleinen
    Reagenzgläsern. Sie waren ungefähr so groß wie
    Schrotpatronen, also hatte ich, als es losgegangen war mit dieser ganzen Sauerei, mehrere Dutzend
    Reagenzgläser vorbereitet und sie in einen Patronengurt aus Armeebeständen gesteckt. Mit dem über der Schulter und dem Kanaldeckelheber in der Hand war ich ein
    Toxin-Rambo, der in den Medien Feuer und Schwefel
    auf die bösen Buben regnen ließ.
    So romantisch war es allerdings doch nicht. Ich saß hinten im Wagen mit meinem Kaffee und einer
    Taschenlampe, während Bart erst mal auf der Mass Pike rumgurkte und rauszukriegen versuchte, ob uns jemand nachfuhr. Ich studierte meinen Kanalisationsplan. An der Dorchester Bay gab es viele Notauslässe, und ich mußte wissen, vor welchem ich getaucht war. Meine Technik
    dabei war ähnlich wie die eines Pfadfinders beim
    Orientierungslauf. Ich war ungefähr vierhundert Meter von der Summer Street entfernt gewesen, ich hatte mir ein paar markante Punkte gemerkt, und so konnte ich ihn auf dem Plan wiederfinden.
    Dieser Notauslaß war kein x-beliebiger, jedenfalls keiner, der die nähere Umgebung entwässerte. Es war nicht mal ein Bostoner Notauslaß, sondern die Austrittsöffnung eines langen Kanals, der aus Framingham kam, einem
    Vorort im äußersten Südwesten. Framingham hatte
    nichts, wo es seinen Überlauf lassen konnte, nicht mal einen Fluß, also hatte man einen unterirdischen Fluß anlegen müssen, der gut dreißig Kilometer in
    ostnordöstlicher Richtung zur Dorchester Bay führte. Der Überlauf aus Framingham und seiner Nachbarstadt
    Natick rauschte hier durch. Irgendwo auf der Strecke leitete jemand große Mengen von organischen
    Chlorverbindungen ein.
    Ich war in Versuchung, gleich in Natick mit den Proben anzufangen. Obwohl es ein Stück von der Route 128
    abliegt, sitzen dort viele Route-128-Firmen. Aber es war auch möglich, daß jemand zwischen Natick und dem
    Notauslaß Dreck in den Kanal beförderte. Wenn wir so weit rausfuhren, einen Test machten und nicht fündig wurden, hatten wir eine Stunde damit verplempert, hin und zurück zu gondeln. Also folgte ich dem Kanal auf dem Plan in Richtung Osten und suchte mir einen
    vielversprechenden Einstiegsschacht in einer Bostoner Straße aus. Dort würden wir anfangen.
    »Roxbury, James«, sagte ich.
    »Gleich beim Museum, Sir?«
    »Wunschdenken. Anderthalb Kilometer südlich.«
    »Oh. Du meinst das richtige Roxbury.«
    »Tut mir leid, aber da ist der Kanal nun mal.«
    Ich will hier, was Bart betrifft, ein paar Dinge klären: Er war nicht so bescheuert, wie er sich anhörte. Er hatte eine ironische Einstellung, die sein ganzes Leben bestimmte und es ihm unmöglich machte, seine beachtliche
    Intelligenz in einem ernsthaften Job einzusetzen.
    Wir fuhren nie nach Roxbury. So einen schlechten Ruf hatte es. Wir wußten auch nicht, wie man

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