Volles Rohr
einem breiten Leckt- mich-doch-alle-am-Arsch-Grinsen gebleckt hatte. Dachte trotzdem daran, jede Stunde auf den Kompaß zu schauen und mich zu
vergewissern, daß ich wirklich auf Land zusteuerte.
Es ist reichlich dämlich, wenn ein flüchtiger Terrorist zu einer Tankstelle geht, aber um flüchtig zu sein, muß man flüchten, und das ist schwierig ohne Benzin. Und so ließ ich meine Kanister vollaufen. Der Typ, dem die
Tankstelle gehörte, war Spiro Agnew wie aus dem
Gesicht geschnitten, und ich kriegte mich nicht mehr ein vor Lachen. Er wurde sauer und sagte, ich sollte in den Wind schießen. Was ich gern tat. Am Ende begegnete ich hier noch Nixon, und dann bepißte ich mich garantiert.
Da ich zu dieser Tankstelle gegangen war, mußte ich's an Land geschafft haben, stimmt's? Denn ebendort pflegen sich Tankstellen zu befinden. Also war ich glücklich nach Maine gepaddelt. Und jetzt mußte ich landeinwärts, um mein neues Gewerbe als Flüchtiger auf Süßwasser zu betreiben. Wie die Wikinger, denen es der geringe
Tiefgang ihrer Schiffe ermöglicht hatte, in seichten Flüssen aufwärts zu wallen und sich befestigte Städte zu krallen - das reimte sich -, die bis dahin als uneinnehmbar für Seestreitkräfte gegolten hatten. Das Zode war das moderne Pendant zum Wikingerschiff. Irgendwann
würde ich an seinem Bug einen Drachen anbringen. Und o Gott, o Gott, da war er schon! Oder war's eine Möwe?
Vor mir lag irgendwas, zu dem ein See gehörte. Durch ihn kam ich zu einem Fluß, und der trug mich in einen anderen, kleineren See, wo mir das Benzin wieder
ausging. Ich ließ die Luft aus dem Zodiac und versenkte es; sein Motor reichte als Beschwerung. Schmiß die
Kanone hinterher - hatte nichts gebracht. Dann war ich in den Weißen Bergen. Durchirrte sie vierzig Tage und
vierzig Nächte. Bis die Indianer mich fanden.
24
Meine Strafe: Träume von einem silbernen Indianer, der mit Tomahawk-Gesicht in einiger Entfernung stand und mir jeden Blickkontakt verweigerte. Dann wachte ich in einem Wohnmobil auf, hundeelend und schlaff wie ein
Händedruck von Pleshy. Als ich die Versuche, mich
aufzusetzen, bleiben ließ und mich einfach wieder
hinlegte, sah ich durch einen Spalt im Vorhang Jim
Grandfathers Lieferwagen mit der Indianer-Kühlerfigur.
Er parkte direkt vor dem Fenster.
Sie ließen mich eine Woche lang keine richtige Zeitung lesen. Sie hatten hier nur USA Today, für die das Thema inzwischen gestorben war, und ein Lokalblättchen, für das Boston keine große Rolle spielte. Ich verbrachte eine Menge Zeit damit, mein Ölzeug anzustarren, das zerfetzt an der Wand hing. Jim mußte mir nicht extra sagen, daß es mir das Leben gerettet hatte.
Ich wurde von der Familie Singletary gepflegt - und indirekt vom ganzen Stamm, zu dem sie gehörte.
Entweder wußten die Leute nicht, wie tückisch die USRegierung werden konnte, wenn sie den Terrorismus zu bekämpfen glaubte, oder es war ihnen schnuppe.
Wahrscheinlich letzteres. Was konnte ihnen die
Regierung schon tun? Ihnen ihr Land wegnehmen? Sie
mit Pocken infizieren? Sie ins Reservat jagen?
Die ersten zwei Tage wandte ich meine ganze Energie
ans trockene Kotzen. Dann arbeiteten wir uns zu Wasser vor, dann zu Sprite, dann zu Entensuppe und schließlich zu Fisch. Hin und wieder wachte ich auf, und immer saß Jim da, über einen Schuhkarton gebeugt, und machte
Pfeilspitzen. Tick, tick, tick. Obsidiansplitter flogen.
»Geh doch wieder zu Anna«, sagte ich eines
Nachmittags. »Mit mir verplemperst du nur deine Zeit.
Ich bin im Moment nichts weiter als Giftmüll.«
»Na, dann paßt du ja zu uns.«
»Waren sie hier? Haben sie mich gesucht?«
»Sie glauben, daß du in Kanada bist.«
»Das glaube ich auch.«
»Nein. Du bist immer noch in Wenn's-dir-hier-nicht-
paßt-dann-hau-doch-ab. Theoretisch. Praktisch bist du in…« Er ratterte einen zwanzigsilbigen indianischen
Namen runter.
»Wunderbar, Jim. Kann ich hier Feuerwerkskörper
kaufen?«
Als es mir gelungen war, eine n Big Mac einen ganzen Vormittag bei mir zu behalten, erklärten sie mich für gesund. Jim unterzog mich noch einer Sonderprüfung, zu der eine Zigarre gehörte. Als ich sie bestanden hatte, zeigte er mir die Zeitungsausschnitte.
Die Presse hatte sich psychoanalytisch sehr bemüht. Ich erfuhr viele interessante Dinge über mich. Bekam auch mein High-School-Abschlußfoto zu Gesicht, auf dem ich wirklich wie ein blühender Psychopath aussah. Es schien, daß ich, Sangamon Taylor, ein Mann mit
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